Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
schwanger, Antonio.«
Er sprang so ungestüm auf, dass sein Schemel nach hinten überkippte. Aber das kümmerte ihn nicht, er hob Lucrezia hoch und wirbelte sie vor Glück im Kreis herum. Dann hielt er plötzlich schuldbewusst inne und setzte sie behutsam wieder ab. »Entschuldige, ich …«
»Dem Kind ist nichts passiert, Antonio«, lachte sie. »Im Gegenteil, es hat zum ersten Mal die Freude seines Vaters gespürt. Es weiß nun, dass es willkommen ist.«
Nachdem Lucrezia eingeschlafen war, stand er mitten in der Nacht leise wieder auf, begab sich in sein Atelier im Erdgeschoss und begann zu skizzieren, wie das Haus, das Lucrezia von Bramante geerbt hatte, zum Palazzo der Familie Antonio da Sangallos umgebaut werden sollte. Als die Sonne durch die Fenster brach, hatte er nicht nur die Pläne fertig, sondern auch die Reihenfolge der Arbeiten festgelegt. Dabei leitete ihn der Grundsatz, dass seine schwangere Frau so wenig wie möglich von den Arbeiten behelligt werden sollte.
Als Lucrezia am Morgen verschlafen ins Atelier trat und sich die Augen rieb, präsentierte er ihr müde, aber glücklich die Vorstellung, wie ihr Zuhause bald aussehen würde. Das Erdgeschoss sollte ausschließlich für die Arbeit genutzt werden, für Atelier und Kontor, außerdem kämen noch die Küche, der Vorratsraum und die Zimmer der Dienerschaft dazu. Im piano nobile war der große Saal für Feste vorgesehen und der kleine Saal für die täglichen Mahlzeiten und das Zusammensein der Familie. Im neu zu schaffenden zweiten Obergeschoss sollten sich die Schlafzimmer befinden, ihres und die der Kinder.
»Kinder?«, fragte sie verdutzt.
»Wir wissen doch jetzt, wie es geht«, neckte er sie gutmütig. »Oder soll ich den alten Kasten immer, wenn du guter Hoffnung bist, wieder umbauen?«
Lachend wehrte sie ab. Natürlich nicht! Dann blieb ihr Blick an einem Detail hängen, das sie sich nicht zu erklären vermochte. Antonio lächelte stolz über das ganze Gesicht. »Das werden Kamine. Ich habe als Kind im Winter, Spätherbst und frühem Frühjahr immer gefroren, wenn die Feuchtigkeit ins Mauerwerk gedrungen war und von dort nur Nässe und Kälte gegen die Bewohner geschickt hatte.« Dann machte er sie noch darauf aufmerksam, dass er die Decken heben und einen Baderaum einbauen wollte.
»Einen Baderaum?« Erst riss sie vor Staunen die Augen auf, dann schaute sie ihn an, als ob er von Sinnen sei.
»Genau!«, bestätigte er, wobei er sie sanft umarmte. »Wie ihn Raffael dem Bischof Bibbiena im Vatikanpalast einbauen soll. Eine Stuffetta .«
Zwei Tage später bekam Antonio Besuch von Maffeo, den er sogleich ins Atelier führte. Der Bauunternehmer schien schlechter Stimmung zu sein. Wie es so gar nicht seiner Art entsprach, begann er etwas umständlich. Er wisse ja zu schätzen, dass er keinen Maurer entlassen müsste, aber die Zustände auf der Baustelle seien unhaltbar, weil sich die Männer am Westchor gegenseitig auf die Füße träten, und dass bereits böses Blut entstünde zwischen den Firmen und ihren Maurern, weil man zu dicht beieinander arbeitete. »Wir wissen doch alle, dass diese Situation nicht lange andauern wird, und dann werden zwei oder drei Mauermeister ihre Aufträge verlieren. Lass uns an den Konterpfeilern weiterarbeiten!«, schloss Maffeo.
»Donato hat aber im Auftrag des Papstes befohlen, den Westchor so schnell wie möglich hochzuziehen!«, wandte Antonio ein.
»Donato lebt nicht mehr, und der Papst auch nicht. Du musst die Entscheidung treffen.«
Das stellte sich Maffeo bei Weitem einfacher vor, als es in Wirklichkeit war, denn Bramante hatte mit Bedacht die Planung des Baus nicht über die Vierung hinausgetrieben. Nicht einmal die Konstruktion der Kuppel lag in einer fertigen Version vor. Das konnte Antonio dem Bauunternehmer jedoch nicht sagen. Wenn bekannt würde, dass sie ohne Plan, sondern eher nach Eingebung und Einfall gearbeitet hatten, wäre ihr Ruf dahin. Bramante konnte das gleich sein, doch Antonios Karriere würde es vernichten. Unter allen Umständen musste er den Eindruck aufrechterhalten, dass sie nach einem festen Plan gebaut hatten.
Leider waren sie jetzt am Ende der Planungen angekommen. Die Gestalt der Kuppel musste entschieden und die entscheidende Frage geklärt werden, ob sich an die Vierung im Osten, zur Stadt hin, nun ein Langbau anschließen oder ob die neue Peterskirche ein Zentralbau werden sollte. Das würde sich zumindest auf den nordöstlichen und den südöstlichen Pfeiler und die
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