Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Ziehen im Unterleib spürte. Heftige Angst um ihr Kind stieg in ihr hoch, und sie legte beide Hände schützend auf ihren Leib. Sie rief ihre Dienerin herbei und ließ sich von ihr kalte Umschläge auflegen. So gelang es ihr allmählich, ihrer Panik Herr zu werden.
Als das Morgenlicht durch die Fensterscheiben ins Zimmer drang, hatte sie sich wieder gefasst und begann, mit klarem Kopf nachzudenken. Sie stand auf und zog einen Hausmantel über. Dann setzte sie sich an den Arbeitstisch, der während der Bauarbeiten in der unteren Etage in ihrem großen Schlafzimmer stand, und nahm Papier und Feder. Sie schrieb zwei Briefe, einen an Agostino Chigi, den anderen an Giuliano da Sangallo. So gut sie darüber Bescheid wusste, schilderte sie den beiden Männern ihre Situation und bat sie um Rat und Hilfe. Während ihre Feder über das Papier glitt, vernahm sie Geräusche, die von den Bauarbeiten unter ihr herrührten. Die ersten Maurer hatten mit ihrer Arbeit begonnen. Auf dem Flur riefen sich die Diener etwas zu. Diese Alltäglichkeiten verliehen ihr Kraft und Zuversicht – das Leben ging weiter.
Als die Briefe fertig waren, schickte sie zwei Boten los, einen nach Venedig, den anderen nach Siena. Plötzlich verspürte sie einen heftigen Appetit auf Hühnerbrühe mit Erdbeeren und verspeiste mit großem Genuss zwei Teller mit dieser seltsam zusammengestellten Suppe. Danach kleidete sie sich an und begab sich in Begleitung einer Dienerin und des Hausburschen zu Raffael, der in einem kleinen Palazzo im Borgo wohnte, den übrigens Bramante als einer der ersten Aufträge in Rom errichtet hatte.
Der Maler schlief noch. Lucrezia wurde in einen kleinen Saal im piano nobile geführt, wo sie auf ihn wartete. Die Bilder der vielen Zweige und Vögel auf den Wänden gaben ihr das Gefühl, sie säße in einem Vogelkäfig. Als Raffael den Raum betrat, wunderte sie sich, dass die Vögel an den Wänden nicht aufflatterten und wegflogen. Mit wenigen Worten entschuldigte sie sich, ihn so früh zu stören, und schilderte ihm dann, was geschehen war. Raffael blickte sie aus seinen leuchtenden Augen voller Mitleid an.
»Madonna, ich bin untröstlich. Aber ich fürchte, ich kann Euch nicht helfen. Ich kenne den Erzpriester kaum.«
»Es tut mir leid, dass ich Eure Zeit verschwendet habe. Donato wird es Euch im Himmel sicher vergelten«, sagte Lucrezia kühl und erhob sich. Sie hatte kaum ausgesprochen, da beobachtete sie etwas, was noch niemand bei Raffael gesehen hatte: Sein stets heiterer Gesichtsausdruck verdüsterte sich für den Bruchteil einer Sekunde.
»Verzeiht, Madonna Lucrezia, aber ich hatte Eurem Mann geraten, einen großen Bogen um die Baustelle zu machen, solange der Papst nicht die Richtung befohlen hat, in die es weitergehen soll.«
»Was ist schlecht daran, dass er Verantwortung übernommen hat, für die vielen Leute, die von dieser Baustelle leben, für die Männer, für ihre Frauen und Kinder?«, fragte sie. Weder war sie laut geworden, noch hatte ein Vorwurf in ihrer Stimme gelegen.
»Schlecht war nichts daran, nur unvorsichtig und naiv. Ihr seht ja selbst, was daraus geworden ist.« Der Maler schwieg und dachte nach. Man sah ihm an, wie ungern er sich in die unangenehme Angelegenheit hineinziehen ließ. »Ich werde einen Brief an den Bischof Bibbiena schicken und ihn bitten, sich dafür einzusetzen, dass Euer Mann unverzüglich auf freien Fuß gesetzt wird.« Als er ihren enttäuschten Blick sah, fügte er hinzu: »Der Bischof ist die rechte Hand des Papstes.«
Jetzt konnte sie nur noch beten, dachte Lucrezia und kehrte nach Hause zurück. Dort erwartete sie indes eine Überraschung. Im großen Saal saß Giacomo Catalano. Lucrezia blieb wie angewurzelt stehen. Der Erzpriester lächelte und bot ihr dann in ihrem eigenen Haus einen Platz an. Sie nahm die Absurdität gar nicht wahr, sondern setzte sich.
»Du trägst ein schönes Kleid, meine Tochter!«
»Habt Ihr Euch deshalb herbemüht, Eminenz, um mir Komplimente zu machen?«
»Natürlich nicht. Gesegnet sei die Frucht deines Leibes«, sagte Giacomo und spielte unverhohlen auf ihre Schwangerschaft an.
»Gesegnet sei auch der, der den Vater des Kindes, das in meinem Leib wächst, beschützt«, erwiderte sie schroff.
Der Dominikaner setzte eine Leidensmiene auf. Was für ein schlechter Schauspieler, dachte sie. »Ich will offen mit dir sein. Frà Giocondo hat auf meine Bitte hin die ausgeführten Bauten untersucht. Der südwestliche und der nordwestliche
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