Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Stützpfeiler sind vom Einsturz bedroht, weil sich die Fundamente auflösen. Ich verstehe nicht allzu viel davon, aber die Fachleute versichern mir, dass schlechtes Material benutzt wurde. Entweder hat ein Ketzer den heiligen Bau hintertrieben, um Christus und der Kirche zu schaden, oder gutes Material wurde verkauft und schlechtes verwendet. Entweder handelt es sich um Häresie oder um Unterschlagung. Allerdings kommt Raub an diesem Bauplatz der Ketzerei gleich.«
Lucrezia wurde blass, aber sie durfte jetzt nicht hysterisch werden, sondern musste einen klaren Kopf behalten. Das war noch nicht alles. Nur um ihr das mitzuteilen, hätte er kaum diesen Weg unternommen. Er wollte etwas von ihr, so viel stand fest.
»Kommen wir zur Sache«, entgegnete sie kühl.
Ihr geschäftsmäßiger Ton verunsicherte den Kardinal für einen kurzen Moment. Dann breitete er die Arme aus. »Es ist ganz einfach. Du musst nur mit deinem Mann sprechen, damit er dafür eintritt, dass Frà Giocondo der leitende Architekt von Sankt Peter wird. Außerdem soll Antonio schwören, von nun an alles zu tun, dass die Vierung in einen Langbau ausläuft, und eine gut katholische Basilika entsteht, und die Zentralbaupläne Bramantes zu vernichten!«
Lucrezia musste sich beherrschen, um nicht laut loszulachen, denn von Donato gab es ja keine weiteren Pläne. Der alte Gauner hatte sie alle hinters Licht geführt. Alle waren davon ausgegangen, dass der Baumeister den Dom bis zu Ende projektiert hatte, doch in Wirklichkeit gab es keine weiteren Ausführungspläne. Vielleicht hatte Neu Sankt Peter fix und fertig in seinem Kopf gestanden – das konnte sie nicht beurteilen –, doch darüber hatte er weder mit Antonio gesprochen, noch ahtte er etwas Derartiges zu Papier gebracht.
»Ich schwöre bei der heiligen Jungfrau Maria, dass mein Mann sich für Frà Giocondo einsetzen wird und dass er alle Langhauspläne unterstützt. Donatos Pläne werden wir vernichten. Dafür will ich meinen Mann zurückhaben.«
Der Kardinal schlug ein Kreuz, dann stand er auf. Als Lucrezia sich ebenfalls erheben wollte, legte er ihr die Hand auf die Schulter. »Ruhe dich aus, meine Tochter. Du erinnerst dich doch, dass ich einmal geschworen habe, dich zu beschützen.« Lucrezia schauderte.
Am Nachmittag kehrte Antonio nach Hause zurück. Er war erleichtert, aber der Schreck saß ihm in den Knochen. Niemals, flüsterte er seiner Frau ins Ohr, obwohl sie sich allein im Zimmer befanden, würde er gegen den Willen des Kardinals Catalano verstoßen. Man hatte ihm die Instrumente gezeigt.
Einen Monat später kehrte auch der Papst von seinem Jagdaufenthalt zurück. Nachdem er Rücksprache mit Giuliano da Sangallo und Raffael gehalten hatte, ernannte er Frà Giocondo zum zweiten Baumeister von Sankt Peter. Lucrezia machte ihrem Mann bittere Vorwürfe, weil er ihren Palazzo beliehen hatte, konnte aber durch ein Gespräch mit ihrem Adoptivvater Agostino Chigi die Rücknahme der Vereinbarung erreichen. Die apostolische Kammer ersetzte die Auslagen, die Antonio da Sangallo gehabt hatte. Durch Vermittlung seines Onkels bekam Antonio seine ersten Aufträge, nämlich die Kirche in Santa Maria in Loreto, die ihn immer wieder zum Reisen zwang, obwohl er nicht von der Seite seiner schwangeren Frau weichen wollte, und schließlich einen Kirchenbau auf dem Trajansforum.
Frà Giocondo kümmerte sich bis zu seinem Tod im Jahr 1516 um die Nachbesserung der in der Tat aufgelösten Fundamente der beiden westlichen Vierungspfeiler, während Raffael im Auftrag Leos X. und Agostino Chigis baute und malte, immer mehr Schüler einstellte, um einigermaßen der Vielzahl der Aufträge nachzukommen. Vollkommen erschöpft starb berühmt, jung und schön Raffael aus Urbino fünf Tage vor seinem Mäzen Agostino Chigi und anderthalb Jahre vor seinem Förderer Leo X. im Jahr 1521 in Rom.
Nach dem Tod Frà Giocondos hatte der Papst Antonio da Sangallo doch noch zum Architekten von Sankt Peter bestimmt, und niemand freute sich darüber mehr als Maffeo Maffei, an dessen Seite häufig sein Sohn Arnoldo zu finden war, wenn der nicht gerade in der Lateinschule hockte. Maffeo hatte beschlossen, dass sein Sohn lesen und schreiben lernen sollte. Sowohl Antonio als auch Maffeo blickten stolz auf ihre wachsenden Familien, wobei Maffeo mit seinen sechs Kindern im Vergleich zu den vier Kindern Antonios in Führung lag.
Mehr allerdings, als die Fundamente zu verstärken und die Konterpfeiler zu errichten, gelang den
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