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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Architekten in der Zeit Leos X. nicht, denn obwohl dieser Papst den Ablasshandel in die Höhe trieb, floss immer weniger Geld in der Baukasse des Petersdomes, weil der lebenslustige Giovanni de Medici, der Dichter und Gelehrte finanziell großzügig unterstützte, das Geld schneller ausgab, als es hereinkam. Die Kerzen zu seiner Aufbahrung mussten geborgt werden. Die Kassen der apostolischen Kammer waren leer. Viele wurden reich, die Kirche aber arm.
    Und noch eines hinterließ Leo X. seinen Erben: Überall sagten sich Christen vom Papst los, ein gewisser Calvin in Genf, ein Zwingli in Zürich und, der Schlimmste von allen, ein gewisser Luther in Wittenberg versprachen den Menschen das wahre Christentum. Schnell sammelten die Ketzer Abtrünnige um sich, unter ihnen sogar Fürsten, ganze Kirchenprovinzen fielen von Rom ab. Besonders gern verwiesen diese Ketzer auf den unvollendeten Petersdom, auf die unfertig in den Himmel ragende Vierung, die einem Turm glich, dem Turm von Babylon. So wurde ihnen die Baustelle von Sankt Peter, der nur langsam vorangehende Neubau, zum Gleichnis für die Verderbtheit des Papstes, den einige sogar wagten, den Antichrist zu nennen.
    Antonio hatte zu viel zu tun, als dass er diese Vorgänge zur Kenntnis nahm, geschweige denn sich damit beschäftigte. Er nahm so viele Aufträge an, wie es irgend ging. Politik, Philosophie und Theologie stießen ihn ab, denn er kannte sich darin nicht nur nicht aus, sie schienen ihm auch allzu gefährlich. Vom Bauen verstand er etwas, das war sein Handwerk, nichts anderes.
    Gelähmt von den Forderungen Giacomo Catalanos war er inzwischen der Arbeit an Sankt Peter überdrüssig geworden. Raffael und er steigerten sich in immer neue, immer kühnere Entwürfe für Sankt Peter hinein, ohne dass je etwas davon auf der Baustelle umgesetzt wurde. Sie zeichneten, um nicht bauen zu müssen.
    Und so gingen die Jahre dahin. Antonio war ein gefragter Architekt, liebender Familienvater und beliebter Gastgeber geworden, der auch seinen finanziellen Nutzen aus der Baustelle von Sankt Peter zu ziehen verstand. Er hatte aus der Krise gelernt, als er mit seiner Blauäugigkeit und Unbedachtsamkeit sich und seine Familie beinahe ins Unglück gestürzt hatte. Es waren gute Zeiten, doch im Norden zogen bereits die dunklen Wolken des Unheils herauf.

51

    Governolo bei M antua, Anno Domini 1526, im November
    Das heisere Krächzen der Raben, die auf kahlen Ästen hockten, erfüllte die Luft. Nass und kalt und ungeheuer schrundig lag die nackte Erde irgendwo zwischen Ferrara und Mantua wie aufgekratzter Grind vor Ascanio. Durch alle Öffnungen seines Körpers kroch die Novemberkälte in seine Knochen. Er fürchtete sich vor dem Rheuma. Deshalb trug er unter Harnisch und Wams ein dickes Wollhemd, das er in die schwarzen Hosen gesteckt hatte. Dieser Feldzug, schwor er sich, sollte sein letzter werden. Von seinem Hut hingen traurig die schwarzen Bänder, die ihn als einen der Männer des großen Condottiere Giovanni delle Bande Nere auswiesen. Er war nun vierzig Jahre alt, entschieden zu alt für einen Landsknecht.
    »He, Ascanio, komm mit. Wir wollen uns den Feind ansehen. Der alte Teufel Frundsberg hat es tatsächlich geschafft, die gesperrten Alpenpässe zu umgehen«, rief ihm der junge Condottiere gut gelaunt zu. Obwohl der Landsknechtsführer erst achtundzwanzig Jahre zählte, hatten seine Kühnheit und sein Erfolg ihn mit der Aura einer Legende bekleidet. Ascanio mochte den Medici mit dem dichten, dunklen Haar und dem wilden Blick, der so manchen Mann aus seiner Familie auszeichnete. Vom Hügel aus schauten sie in die Senke, in der es von zumeist deutschen Landsknechten wimmelte. Ein bunter, abenteuerlich gekleideter Haufen, der sich um die hoch aufragenden Fahnen sammelte. Giovanni zeigte auf den gegenüberliegenden Hügel.
    »Frundsberg hat dort seine Kanonen aufgebaut. Dadurch wird uns die Senke zur Falle.« Ascanio beobachtete, wie der Condottiere in Nachdenken versunken, ein paar Schritte nach vorn ging. Im gleichen Augenblick sah er eine Kanonenkugel durch die Luft rumpeln wie ein betrunkener Söldner. Der deutsche Landsknechtsführer hatte anscheinend einen Probeschuss abfeuern lassen. Er wollte Giovanni warnen, doch zu spät. Die unförmige Eisenkugel traf den Condottiere und riss ihm ein Bein weg. Mit wenigen Schritten war Ascanio bei ihm. Der Verwundete sah fast aus wie eine Puppe, der ein Kind ein Bein abgerissen hatte. Doch aus dem Stumpf quoll Blut statt Wolle. Der

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