Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Gott, sondern dem Teufel anvertraut. Ihr dürft den Häretikern nicht Gelegenheit bieten, Spott mit dem unantastbaren Körper des Stellvertreters Christi zu treiben!«
»Seine Eminenz hat recht, wir haben keine Zeit mehr!«, drängte Hauptmann Göldli. »Noch können wir über den Passetto in die Engelsburg fliehen. Der Kommandant Kaspar Röist kämpft heldenhaft mit hundert Männern am Obelisken, um uns Zeit zu verschaffen. Lange wird er sich gegen die Übermacht nicht mehr halten können! Kommt!«
Clemens VII. verharrte weiterhin unschlüssig mitten in der Krypta. Fast grob schob ihn Giacomo zu Göldli hinüber. »Geht! Tut es für die Kirche! Tut es für Gott.« Niemand merkte, wie viel Überwindung der nächste Satz den Erzpriester kostete. »Ihr seid der Nachfolger des Apostels. Begreift doch, Ihr selbst seid Petrus, Heiliger Vater! Geht. Euer Leib trägt jetzt die Kirche!«
Der Papst nickte betroffen. Was hätte Giacomo anderes sagen können? Zwar hasste er Giulio de Medici, aber er liebte die Kirche, und die beruhte nun einmal auf der ununterbrochenen Sukzession im Petrusamt. Giacomo folgte dem Kommandanten und dem Papst ins Tegurium und von dort in den unbedachten Innenraum der Vierung. Dort standen knapp achtzig Gardisten. Außerdem hatten sich vielleicht zweihundert Menschen aus dem Borgo in ihrer Angst hierher geflüchtet, zumeist Kleriker und ein paar Pilger, die von der Invasion überrascht worden waren. Nur wenige Frauen und Kinder waren darunter – die Familien wohnten in Trastevere und in den eigentlichen Stadtvierteln auf der anderen Seite des Tibers.
»Bitte gebt mir Euer Schwert und Euren Harnisch«, bat der Kardinal den Hauptmann der Schweizergarde.
»Was habt Ihr vor, Eminenz?«
»Meine Kirche zu schützen!«
»Gib ihm, was er verlangt. Gott segne dich, mein Sohn«, sagte der Papst und seufzte tief.
Göldli reichte dem Mann in der einfachen Kutte der Dominikaner das große Kampfschwert und den Panzer. Während sich Giacomo Catalano den Harnisch über sein schwarz-weißes Habit zog, fragte der Hauptmann seine Leute, wer von ihnen sich dem Kardinal zur Verteidigung des Petrusgrabes anschließen wolle. Als sich fast alle meldeten, wählte er vierzig Gardisten aus, die ihn und den Papst begleiten sollten, und ließ die anderen vierzig Gardisten bei Giacomo zurück.
Als der Papst die Zurückbleibenden segnete, schlug mit lautem Krachen eine Kanonenkugel in eine Stützmauer ein und beschädigte sie. Herkules Göldli zog kurzerhand den Stellvertreter Christi mit sich fort. Giacomo wusste, dass sich die kleine Gruppe, sobald sie aus der Basilika trat, nach links wenden würde, um in den Vatikanpalast zu gelangen und von dort über den Geheimgang in die Engelsburg zu fliehen. Er hoffte inständig, dass es dafür noch nicht zu spät war. Mit Giulio de Medici sollte Gott rechten, nicht aber die lutherischen Landsknechte. Er wusste nicht, ob der tapfere Kaspar Röist und sein Häuflein dem Ansturm noch Widerstand zu leisten vermochten oder ob sie längst getötet worden waren. Er konnte nicht wissen, dass die Spanier zu ebendieser Stunde den schwer verletzten Mann im Beisein seiner Frau barbarisch massakrierten.
Während dies geschah, wies Giacomo die Schutzsuchenden an, ins Tegurium zu gehen, sich in der Krypta zu verstecken und zu beten. Dann schaute er in die Gesichter der jungen Schweizer. Gute Jungen aus den Bergen. Er fragte jeden nach seinem Namen, seiner Herkunft.
»Johann, Eminenz. Aus Wallis«, antwortete der Erste, ein lustiger, pausbäckiger junger Mann.
»Lass das Eminenz weg. Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich bin euer Bruder in Christo, Frà Giacomo.« Dann schaute er den Nächsten an.
»Kaspar, Emi… äh, Frà Giacomo. Auch aus Wallis.«
»Heinrich aus dem Kanton Uri.«
»Mathias aus Zürich.«
»Huldrych aus Bern.«
»Balthasar aus Genf.«
»Jürg aus Sankt Gallen.«
»Joseph aus Waadt.«
Giacomo bemühte sich, sich die Namen seiner vierzig Mitstreiter einzuprägen. Dann trat er vor die Gardisten und sprach: »Ego te absolvo a peccatis tuis in nomine patris et filii et spiritus sancti«, schlug das Kreuz über ihnen, breitete anschließend die Arme über ihnen aus und fuhr fort: »Der Herr segne euch und behüte euch. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Der Herr hebe sein Angesicht über euch und gebe euch Frieden. Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.« Vielleicht ließ Gott ja ein Wunder
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