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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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der Landsknechte. Die Schreie der Qual und des Sterbens der Menschen, die sich ins Tegurium geflüchtet hatten, drangen an sein Ohr. Giacomo wiederholte das Anathema, dann betete er das Schuldbekenntnis.
    »Confiteor Deo omnipotenti
    et vobis, fratres,
    quia peccavi
    nimis cogitatione, verbo, opere et omissione:
    mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa …«
    »Lasst ihn verrecken«, befahl der Söldner. Wieder brandete der Schmerz wie tausend Feuer in Giacomo auf. Jemand zog ein paar Mal, wie um ihn zu necken, von unten an seinen Beinen. Dann ließen sie ihn allein. Ihm schwanden die Sinne.
    »Jaume«, hörte er die Stimme einer Frau, die wie durch Watte hindurch auf Katalanisch zu ihm sprach. Er kannte die Stimme. Sie wurde immer deutlicher. Er kannte ihren Klang sehr gut, obwohl es ein ganzes Leben zurücklag, dass er sie zum letzten Mal gehört hatte. Er war damals noch ein Kind gewesen, zwölf Jahre alt.
    »Jaume, komm, dein Vater will dich sprechen.«
    Giacomo sah seine Mutter vor sich: Nach all den vielen Jahren, in denen er ihr Gesicht vergessen hatte, und sie sich nicht einmal mehr im Traum vorzustellen vermochte, erblickte er sie so deutlich, als stünde sie vor ihm. Ihre großen, dunklen Augen in dem schmalen Gesicht. Ihre schlanke Figur, die langen Hände, die ihn oft streichelten. Die vollen Lippen, aus denen der heilende Atem kam, wenn er gefallen war oder sich gestoßen hatte. Er folgte ihr in den Garten, hinter das Haus. Unter Pinien saß sein Vater, ein Arzt und Gelehrter, mit dem Rücken zum Eingang und las in einem Buch. Inmitten von Rosen saß er. Jaume benötigte einen Augenblick, bis er begriff, was an ihm so anders wirkte. Seinen Hinterkopf bedeckten nur Haare; die Kippa, die er ständig trug, fehlte.
    »Dein Sohn, Jordi!« Und auch das Gesicht seines Vaters sah er das erste Mal seit damals wieder deutlich vor sich. Er hatte einen dunklen Teint, aber blaue Augen. Wenn er, wie jetzt, lächelte, nahm die Iris die Farbe des freundlichen Himmels an. Der Vater breitete die Arme aus. Es roch nach den reifenden Pinien, süß. Jaume rannte los, der Vater stand auf, bückte sich, griff seinem Sohn unter die Arme und hob ihn hoch in die Luft. Dann stellte er ihn wieder behutsam auf die Fliesen, mit denen der Weg zwischen den Blumen hindurch zum Rasenrondell gepflastert war. »Setz dich, ich habe mit dir zu reden!«
    »Wo ist deine Kippa, Vater?«
    »Darum geht es ja gerade.« Die Verspieltheit der Fontäne in dem runden Brunnen passte nicht zu dem ernsten Gesicht des Vaters. »Höre, mein Sohn. Präge es dir ein. Der König will es nicht länger dulden, dass wir der Religion unserer Väter nachgehen. Wir haben in der Gemeinde beraten und beschlossen, dass wir uns zu Jeschua bekennen, den sie Jesus, den Christus, nennen.« Jaume wollte etwas sagen, fragen, es kam ihm so ungeheuerlich vor, doch der Vater gebot ihm mit einer Handbewegung zu schweigen. »Wenn du größer bist, dann werde ich dir das alles erklären, aber jetzt, jetzt wirst du mit uns getauft und zu dem Priester Ignazio zum Unterricht gehen.«
    Und so geschah es. Jaume wurde getauft und erhielt von einem freundlichen, jungen Priester in der Domschule von Tortosa Unterricht. Die neuen Geschichten von Jesus und seinen Jüngern, von Petrus und Paulus gefielen ihm bald so gut, dass er die alten zu vergessen begann. Mit großem Eifer widmete er sich seinen Studien. Aber statt dass der Vater ihn dafür lobte – schließlich wollte er ja, dass sein Sohn diese Schule besuchte –, bedachte er ihn nur mit einem schmerzlichen Blick. Als beleidige er den Vater mit seinem Eifer. Je mehr Erfolge Jaume im Unterricht vorzuweisen hatte, desto mehr zog sich sein Vater von ihm zurück und sprach weniger mit ihm. Dem Jungen kam es vor, als hätte sein Vater Geheimnisse vor ihm und misstraute seinem Sohn. Das verletzte ihn und entfremdete ihn immer mehr von dem einst geliebten Vater.
    Eines Tages forderte der Priester bei der Beichte Jaume auf, von seinem Vater zu erzählen, in welchen Büchern dieser las und wen er traf. Der Junge tat, wie ihm geheißen, dachte sich nichts dabei und wurde wie immer von seinen Sünden losgesprochen.
    Jaume hatte die Beichte längst vergessen und begann, mit dem Gedanken zu liebäugeln, in ein Kloster zu gehen, zu den Dominikanern, um ganz dem Herrn zu dienen. Da fand er eines Tages, als er von seinen Exerzitien nach Hause kam, Türen und Fenster offen vor. Mit klopfendem Herzen lief er durch alle Räume, fand aber weder Vater

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