Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
katholischer Künstler sein. Denk darüber nach, was es für ein furchtbarer Fehler wäre, den größten Künstler unserer Zeit in die Arme der Ketzer zu treiben oder ihn zu einem Märtyrer der Protestanten zu machen! Gott möge uns davor bewahren.«
Im Grunde hatte Gian Pietro Carafa erreicht, was er wollte. Der Papst hatte ihn beauftragt, über die Befugnisse und die Struktur der Inquisition nachzudenken und ihm einen Vorschlag zu unterbreiten. Und was Michelangelo betraf, so hielt er ihn weiterhin für einen verkappten Ketzer. Doch Alessandro Farneses Ansichten hatte er nicht verändern können, und es wäre unklug gewesen, es sich wegen eines Künstlers mit dem Papst zu verscherzen.
Arnoldo di Maffeo und die anderen Bauleute, die Maurer, Steinmetzen und Meister, hielten in ihrer Arbeit inne und staunten. Im fertiggestellten Westchor hielten die Tischler Einzug. Sie stellten einen riesigen Arbeitstisch für Antonio da Sangallo auf, an dem er seine Entwürfe zeichnen und zugleich die Meister der Maurer, Steinmetzen, Tischler und Maler anweisen wollte, wie seine Pläne sowohl im Modell als auch auf der Baustelle umzusetzen seien. Natürlich ging die Arbeit am Modell rascher voran, obwohl es riesige Ausmaße annahm, vierzehn Ellen lang und begehbar war, sodass man eine sinnliche Vorstellung von dem Projekt bekam, das hier verwirklicht wurde. All die Verzweiflung, die Antonio befallen hatte, war wie weggeblasen.
Es hatte nur einer Audienz beim Papst bedurft, und der Druck, der auf ihm gelastet hatte, war wie ein schlechter Traum verflogen. Paul III. hatte ihn gerügt, weil er nicht vorankam. Die Baustelle der wichtigsten Kirche der rechtgläubigen Christenheit geriete zum Skandal und böte den Lutheranern die Möglichkeit zu wohlfeilem Spott. Dem müsse endlich Einhalt geboten werden. Der Pontifex hatte dem Baumeister zugesagt, ihm die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug müsse er mit den Bauarbeiten zügig vorankommen.
»Heiliger Vater«, hatte Antonio demütig vorgebracht, »die beste und schnellste Möglichkeit wäre, einen Zentralbau zu errichten!«
»Dann errichte ihn, mein Sohn«, hatte der Papst erwidert.
Damit war auch der letzte Schatten des Giacomo Catalano getilgt, der noch auf Antonio gelastet hatte. In seinem Kopf mischten sich Bramantes Ideen mit denen Raffaels und seinen eigenen. Heraus kam eine riesige Kirche als Zentralbau, deren Herz die Vierung mit der Kuppel darstellte. Dazu hatte er einen Vorbau entworfen, der von zwei gotischen Kirchtürmen flankiert wurde, die wie Wächter der Kuppel wirkten.
Vor der Errichtung von Bramantes Kuppel scheute er noch immer zurück. Schließlich kam er auf den rettenden Einfall: Er würde die eigentliche Kuppel verkleinern. Auf die Vierung wollte er einen Umgang mit Säulenreihen setzen und auf diesen einen kleineren Umgang. Dank des doppelgeschossigen Tambours, der sich nach oben verjüngte, gelang es ihm, den Durchmesser der eigentlichen Kuppel merklich zu vermindern. Die große Laterne, die er auf die Kuppel setzen wollte, befreite ihn von der Notwendigkeit, diese ganz zu wölben. Auf diese Weise verringerte er die Fläche der Wölbungen und minderte die Spannung und das Gewicht, eben das, wovor er sich zu Recht fürchtete.
Antonio spürte, wie ihm neue Kräfte wuchsen. Auch Lucrezia und die Kinder, jeder auf der Baustelle beobachtete voller Freude, wie der Gram der letzten Jahre von ihm abfiel und er wieder zu dem fröhlichen, lebenslustigen Burschen wurde, der er früher gewesen war. Arnoldo fragte den Architekten, weshalb die Zeichnungen nicht genügten und was den kleinen Parallelbau nötig mache. Dabei untertrieb Arnoldo mit dem Wörtchen klein, denn von dem Geld, dass das Modell inzwischen kostete, hätte sich bereits eine kleine Kirche bauen lassen können. Freundlich legte Antonio seinen Arm um Arnoldos Schulter. Dabei achtete er darauf, dass auch seine beiden Söhne, Giuliano und Bartolomeo, jedes Wort seiner Antwort verstanden.
»Es ist ganz einfach, Arnoldo. Niemand weiß, wie lange ich noch lebe. Wir alle aber sind uns doch im Klaren darüber, dass der Bau sich noch ein Weilchen hinziehen wird, und er soll ja noch möglichst lange unsere Familien ernähren!«, sagte er schmunzelnd. »Als Donato starb, hatte ich keine Vorstellung davon, wie es weitergehen sollte. Ihr alle aber könnt nach meinem Tod immer wieder im Modell Belehrung finden, was als Nächstes zu errichten ist und in welcher Art.« Antonio
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