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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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gewöhnst du dich dran. Es gibt nichts Besseres gegen Hunger und Kälte!«
    Lächelnd sah sie zu, wie Kitty ihre Tochter stillte.
    »Wie heißt die Kleine?«
    »Helen.«
    »Ah, wie St. Helen’s Bishopsgate«, entfuhr es Betty, und sie machte eine Geste, als wolle sie sich an die nicht vorhandene Nase tippen. »Sag mal, Herzchen, wie bist du eigentlich aus dem Arbeitshaus rausgekommen? Bist wohl ausgebüxt?«
    »Man wollte mich nach Southampton schicken, nur weil mein Gatte dort geboren wurde«, erwiderte Kitty trotzig. »Aber ich kenne dort niemanden.«
    »Hat man dir einen Pass ausgestellt?«, fragte Betty interessiert.
    »Ja, aber ich habe nicht vor, ihn zu benutzen.«
    »Was willst du damit anstellen? Ihn dir zur Zierde an die Wand hängen?«, meinte Betty ironisch. »Verkauf ihn. Die Dinger sind heiß begehrt bei Bettlern, die nicht in London bleiben wollen. Mit einem Pass in der Tasche können sie nicht verhaftet werden. Ich zeige dir, wo du ihn zu Geld machen kannst, wenn du magst.« Eine Weile betrachtete sie die junge Frau nachdenklich. »Wovon willst du leben? Vom Betteln? Ich habe eine bessere Idee. Weshalb tun wir uns nicht zusammen? Ich verhökere alles Mögliche von Haus zu Haus, was immer es gerade gibt: Fisch, Gemüse, Gin. Du könntest dich mir anschließen.« Als Betty den misstrauischen Ausdruck in den Augen ihres Gegenübers bemerkte, fuhr sie fort: »Schon klar, du fragst dich, welche Hintergedanken die Alte wohl hat. Ich erklär’s dir! Meine Ware kann noch so schmackhaft sein, die Leute werfen einen Blick auf meine hässliche Fratze und suchen das Weite. Aber wenn sie dich sehen und das süße Gesichtchen deiner Tochter, werden sie nicht anders können, als ihre Börse zu zücken. Glaub mir, was ich mit deiner Hilfe verdienen kann, reicht für uns beide.«
    Bettys Argumente erschienen Kitty einleuchtend, und da ihr die Hökerin sympathisch war, willigte sie ein.
    »Dann lass uns gehen«, sagte Betty auffordernd. »Zuerst finden wir einen Käufer für deinen Pass, und dann sehen wir mal, was wir heute auf dem Markt ergattern können.«
    Als sie den Verkaufsstand des toten Schuhmachers verließen, fragte Kitty: »Sollen wir nicht jemandem Bescheid sagen?«
    »Die anderen Handwerker werden sich um ihn kümmern, wenn sie kommen«, erklärte die Hausiererin.
    Auf der Großen Piazza fiel Kitty eine Menschenmenge auf, die sich um eine Sänfte drängte. Sie konnte nur einen kurzen Blick durch die Scheibe ins Innere werfen, bevor die neugierigen Gaffer ihr die Sicht nahmen. Auf den Polstern ausgestreckt wie eine Göttin schlummerte eine fein herausgeputzte, sehr schöne junge Frau.
    »Wer ist sie?«, entfuhr es Kitty unwillkürlich. »Eine Lady?«
    »Eher das Gegenteil«, höhnte Betty, konnte ihre Bewunderung jedoch nicht völlig verbergen. »Das ist die berühmt-berüchtigte Kurtisane Sally Salisbury, die teuerste und hochmütigste Hure Londons. Sie soll ursprünglich aus Shrewsbury stammen. Sie wuchs im Elendsviertel von St. Giles auf und machte eine Lehre bei einer Putzmacherin, die sie allerdings abbrach. Schließlich verkaufte sie ihren Körper unter dem Mantel einer Pamphletenhändlerin gegenüber der Royal Exchange. Später kam sie ins Bordell von Mutter Wisebourne auf der Drury Lane. Seit deren Tod im letzten Jahr arbeitet sie für Madam Needham. Sally soll sogar Pairs des Königreichs zu ihren Kunden zählen.«
    »Das ist unglaublich!«, stieß Kitty beeindruckt hervor.
    »Ja, sie könnte ihr Glück machen«, erwiderte die Hökerin. »Wenn sie nur ihrem ›Usquebaugh-Tee‹ nicht so zugetan wäre. Sobald sie sich einige Becher davon zur Brust genommen hat, verliert sie die Kontrolle und fängt an, Dummheiten zu machen. Es wird schlimm enden mit ihr, darauf gehe ich jede Wette ein.«
    Nachdem Kitty ihren Pass zu einem guten Preis an einen Pfandleiher verkauft hatte, führte Betty sie zu einem der unzähligen Krämerläden in der Umgebung, in denen die Marktfrauen und Straßenhändler gemeinhin ihr Fasten brachen. Dort gab es Brot, Käse und Dünnbier zu erschwinglicheren Preisen als im Alehaus. Als sie den dämmrigen kleinen Laden betraten, hallte er bereits vom Geschnatter und Getratsche der Frauen wider. Für einen halben Penny erstand Betty eine Mahlzeit für Kitty und sich selbst und ließ sich ihre Flasche auffüllen. Das Brot war weiß, denn nicht einmal die Ärmsten wollten das dunkle, harte Brot aus Schrotmehl, Kleie und Bohnen essen, aber es schmeckte seltsam. Vermutlich war das Mehl

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