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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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sämtliche Informationen, über die wir verfügen, ordnen und auf dieser Basis einen Plan ausarbeiten.»
    «Haben Sie nicht gesagt, Ihre Abteilung sei auf Fälle wie diesen vorbereitet?», fragte Wells. «Ich war der Meinung, Sie hätten bereits einen Plan.»
    «Oh, mein Gott, meine Tante …», warf Emma ein. «Sie ist eine hilflose alte Frau. Wir müssen sie suchen. Und auch meine beiden Hausmädchen. Sie müssen erfahren, was wir herausgefunden haben. Sie dürfen doch keinem Menschen mehr trauen!»
    «Beruhigen Sie sich, Miss Harlow», sagte Clayton hastig. «Selbstverständlich werden wir uns nach Ihrer verehrten Tante und auch nach Ihren lieben Hausmädchen sogleich auf die Suche machen. Das ist das Erste, was wir tun, und dann … Nun, verlieren wir keine Zeit mit nutzlosem Gerede. Ich werde Ihnen unterwegs alles erzählen. Los geht’s», rief er, in die Hände klatschend und sich an die Spitze der Gruppe setzend, wobei er Wells einen säuerlichen Blick zuwarf. «Der Mensch hat tausend Pläne für sich; das Schicksal nur einen Plan für jeden», murmelte er im Vorbeigehen.
    Murray und Wells wechselten einen resignierten Blick und folgten ihm. Als sie die Straße erreichten, erblickten sie in Richtung Chelsea einen rötlichen Schimmer am Himmel und dunkle Rauchsäulen über den Dächern. Und als wäre das noch nicht genug der Hinweise auf das, was gerade passierte, trug der Nachtwind auch das vertraute dumpfe Donnern der einschlagenden Hitzestrahlen an ihr Ohr. Emma klammerte sich an Murrays Arm, und er drückte fest ihre Hand.
    «Hört sich an, als wären sie schon in die Stadt eingedrungen», bemerkte Wells düster und versuchte sich die Angst um Jane nicht anmerken zu lassen.

XXVIII
    Emma verharrte einen Moment, bis sie sicher war, dass ihr Gesicht nichts mehr von der Beschämung verriet, die sich ihrer in den letzten Minuten bemächtigt hatte. Als sie glaubte, wieder eine vorzeigbare Miene durchhalten zu können, wandte sie sich den drei Männern zu, die im Wohnzimmer standen und sie erwartungsvoll anschauten, und schenkte ihnen ein gleichgültiges Lächeln.
    «Nun, das Haus ist leer, so viel dürfte klar sein», sagte sie schulterzuckend. «Wir haben in sämtlichen Zimmern nachgesehen … Tante Dorothy und das gesamte Personal, einschließlich meiner beiden Hausmädchen, ist verschwunden. Gewiss haben sie sich irgendwohin in Sicherheit gebracht …», sie zupfte an den Ärmeln ihres Kostüms und versuchte die Bitterkeit hinunterzuschlucken, die sich in ihren Ton geschlichen hatte. «Klar ist weiterhin, dass sie das getan haben, ohne sich darum zu scheren, was aus mir geworden sein könnte …, ohne mir auch nur eine verdammte Notiz zu hinterlassen, wohin sie gefahren sind.»
    «Das dürfen Sie nicht denken, Emma …», beeilte sich Murray um tröstende Worte. Er litt mit der jungen Frau, die darauf bestanden hatte, nach Southwark zu fahren, getrieben von einer Sorge, die von den Bewohnern dieses Hauses offensichtlich nicht geteilt wurde. «Vielleicht mussten sie überstürzt fliehen … Denken Sie nur, welcher Schreck Ihre Tante bei der Nachricht von der Invasion getroffen haben muss. Schließlich ist sie eine hilflose alte Dame, die …»
    «Von einer hilflosen alten Dame hat sie so viel, wie Sie von einem Missionar, Mr. Murray», schnitt Emma ihm das Wort ab. «Sie sollten lieber sagen, sie ist eine alleinstehende, egoistische Alte, die sich nie für irgendwas oder irgendwen interessiert hat, und schon gar nicht, wie Sie sehen können, für ihre einzige Nichte.» Traurig lächelnd schaute Emma die Männer an und lachte dann bitter auf. «Wissen Sie, dass meine Mutter sie immer als Drohgespenst bemüht hat, wenn ich einem meiner Verehrer mal wieder einen Korb gegeben hatte? «Du wirst noch so enden wie die Schwester deines Vaters, Emma!», pflegte sie zu sagen, «Eine verbitterte alte Tante!» Mir hat diese Drohung allerdings nie Angst gemacht. Im Gegenteil, ich habe meine Mutter mit der Antwort zur Verzweiflung gebracht, eine solche Zukunft würde mir höchst wünschenswert erscheinen. Aber jetzt …, jetzt …» Überrascht stellte sie fest, dass ihre Augen feucht wurden, als sie an ihre Mutter dachte. Sie sah sie zu Hause wieder im hellen Musikzimmer sitzen, mit diesem irritierten Blick über ihre Goldrandbrille hinweg, mit dem sie sie anzuschauen pflegte in jener jetzt so fernen Welt; einer Welt, in der es keine Invasoren vom Mars gab, und wo so zu enden wie die alte Tante Dorothy die

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