Die Landkarte des Himmels
Destabilisierung verfolgten, um die Verteidigung der Stadt von innen her zu sabotieren. Die Kampfmaschinen waren nur die Sturmtruppen, die Herolde der Vernichtung, der robuste Teil einer Invasion, die auch auf einer subtileren Ebene erfolgte.
In Claytons Wohnung hörten sie jetzt das ohrenbetäubende Dröhnen der Hitzestrahlgeschosse, als käme es aus mehreren Richtungen gleichzeitig. Der Donner hallte aus Chelsea, aus Islington und Lambeth herüber, schien sogar von der anderen Seite des Regent Parks aus Richtung Kilburn zu kommen. Wie sie schon befürchtet hatten, hatten die Eindringlinge aus dem All nicht nur die Verteidigungslinie von Richmond überrannt, sondern den Ring um London auch noch an anderen Stellen durchbrochen, wenn nicht gar vollständig zusammenbrechen lassen. Bald würde die Stadt den Eindringlingen hilflos ausgeliefert sein, und man würde nirgends mehr einen Ort finden, an dem man sich verstecken konnte; und wenn es einen gäbe, würde das gewiss nicht Claytons Häuschen sein, das kaum stabiler als ein Schuhkarton zu sein schien. Clayton selbst teilte diese Ansicht offenbar nicht, denn auf Murrays Bemerkung lächelte er nur geheimnisvoll und bat sie, ihm zu folgen. Er führte sie in den Keller, einen schlecht beleuchteten und noch schlechter gelüfteten unterirdischen Raum, in dem sich eine Küche und der Kohlenbunker befanden. Immer noch lächelnd machte er sich am Ofen zu schaffen.
«Was zum Teufel …!», rief Murray ungehalten. «Wollen Sie uns einen Tee machen? Das ist nett gemeint, Clayton, aber glauben Sie mir, keiner von uns wird ihn in Ruhe genießen können, solange wir das Dröhnen der Kampfmaschinen immer näher kommen hören.»
Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, betätigte Clayton einen im Ofen verborgenen Hebel, und eine der Küchenwände begann sich ruckend zur Seite zu bewegen. Verblüfft sahen sie zu, wie die offenbar von einem verborgenen Mechanismus bewegte Wand wie ein Theatervorhang zur Seite glitt und einen winzigen Raum freigab, der nicht größer als ein Kleiderschrank war und an dessen Boden sich eine Falltür befand. Mit einer einladenden Geste forderte Clayton sie auf, einzutreten. Als sie drinnen dicht gedrängt zusammenstanden, wartete er, bis die Küchenwand wieder in ihre ursprüngliche Position gerückt war, dann öffnete er die Falltür. Eine schmale Treppe wurde sichtbar, die in ein dämmeriges Dunkel führte.
«Folgen Sie mir», befahl er. «Und der Letzte schließt die Falltür, bitte.»
Zu ihrer Überraschung führte sie die Treppe in einen riesigen Raum mit steinernen Wänden, der aufs luxuriöseste möbliert und exotisch eingerichtet war wie das Geheimgemach eines orientalischen Herrschers. Regale voller in Leder gebundener Bücher bedeckten die Wände und persische Seidenteppiche den Boden. In den Ecken standen große blaue chinesische Vasen, und aus einer Vitrine funkelte venezianisches Kristall. Sessel und Sofas verschiedenster Art standen überall herum, und es gab sogar einen gewaltigen Kamin aus Marmor, dessen Zug sich steil durch die Wohnung oder zickzack durch den Fels nach oben wand und wer weiß wo seinen Schlot so mächtig qualmen ließ, dass gläubige Seelen ihn für einen der Eingänge zur Hölle hielten. Clayton entzündete überall im Salon verteilte Lampen, während die anderen sich immer noch ungläubig bewundernd umschauten. Das hier schien exakt für Notfälle wie diesen eingerichtet und mit allem Notwendigen ausgestattet worden zu sein, um eine angemessene Zeit darin überstehen zu können. Neben dem riesigen Salon gab es nämlich noch eine Speisekammer, die voll gepackt war mit Nahrungsmitteln und allem, was man zum Überleben brauchte.
«Hier sind wir bis morgen früh in Sicherheit», sagte Clayton, als er alle Lampen angezündet hatte.
«Hier drinnen könnte man sogar seine Ferien verbringen», entgegnete Murray aufgekratzt, während er eine erlesene Louis- XIV .-Standuhr begutachtete, die von einer hölzernen Anrichte aus den Blütenstaub ihres Tickens durch den Salon wehen ließ.
Clayton kicherte voller Stolz.
«Ich habe das Haus nicht gebaut», erklärte er. «Es wurde seinem Eigentümer zwangsenteignet. Ich habe ihn hinter Gitter gebracht; einer meiner spektakulärsten Fälle. Meine Abteilung war so zuvorkommend, es mir als Geschenk für meine Dienste anzutragen.»
«Und wer war der Eigentümer?», fragte Wells, begeistert von der Vorstellung, dass es Tätigkeiten gab, die es einem ermöglichten, sich solch ein
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