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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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zu bringen? Wenig oder nichts, sagte ich mir, genau wie all die armen Teufel, die sich voller Entsetzen vor den Explosionen in Sicherheit zu bringen suchten.
    Dann gab es nur wenige Straßen entfernt eine ohrenbetäubende Explosion, gefolgt vom hässlichen Bersten und Krachen einstürzender Gebäude. Am ganzen Leib zitternd, sprang ich auf. Und da sah ich aus der Straße mir gegenüber so etwas wie einen von Gott gezähmten Blitz hervorschießen, denn anstatt gezackt über den nächtlichen Himmel zu zucken, zischte er – begleitet von einem nervenzerreißenden Pfeifen – waagerecht und in gerade Linie über die Erde heran wie der Lichtstrahl eines Leuchtturms. Dieser schreckliche Strahl zog quer über den Platz, setzte auf seinem Weg die Baumkronen in Brand und schlug in das Gebäude am anderen Ende ein, das in tausend Stücke zersprang und Menschen und Karossen unter sich begrub.
    So eine brutale Zerstörung hatte ich noch nie gesehen, und ich wollte meinen Augen nicht trauen. Dann hörten wir, die wir uns immer noch auf dem kleinen Platz aufhielten, hinter uns ein metallisch klingendes Stampfen, das rasch näher kam. Klank, klank, klank. Die Erde begann zu beben, und entsetzt schauten wir zur Straße, aus der der Blitz gekommen war. Uns war klar, dass das, was da herankam, nichts anderes sein konnte als eine dieser Kampfmaschinen, von denen die Flüchtlinge gesprochen hatten. Und dann erspähten wir durch die Staubwolke, die durch die einstürzenden Häuser emporgewirbelt worden war, die unheimliche Silhouette einer stelzbeinigen Maschine, riesengroß und vage an eine Spinne erinnernd. Der Anblick ließ mich erstarren. Der Staubvorhang lichtete sich ein wenig, und dann stand sie mit einem Mal vor uns, ihre drei haushohen Beine steif und unverrückbar in den Boden gerammt. Viele rannten entsetzt davon, doch einige – darunter auch ich – blieben, gebannt von der Erscheinung, wie angewurzelt stehen.
    Noch heute überfällt mich ein Zittern, wenn ich an diesen ersten Anblick einer Kampfmaschine denke. Sie erschien mir mächtiger als alles, was ich bislang gesehen und der Mensch bisher gebaut hatte und in Zukunft noch würde bauen können. Sie war bestimmt über dreißig Meter hoch, und am oberen Ende ihrer schlanken, biegsamen Stelzenbeine schwankte ein Gehäuse, das an die geflochtenen Körbe der Freiluftballons erinnerte, nur größer und geschlossen und von einer unzerbrechlichen Schale umgeben. Am vorderen Teil baumelte eine Art Tentakel herab, wahrscheinlich aus demselben glänzenden Material wie das Gehäuse, nur flexibel. Wie eine Peitsche schwang es durch die Luft oder wie der Rüssel einer Fliege, und es endete in einem rohrähnlichen Stück, das ganz nach einer Waffe aussah. Wie um meine Vermutung zu bestätigen, schleuderte jetzt ein Hitzestrahl daraus hervor, senkrecht hinunter auf die Erde. Doch dann hob sich das Tentakel, und der Hitzestrahl begann sich diagonal durch den Platz zu brennen, als würde eine Hochzeitstorte durchschnitten. Was er traf, zerfiel zu Asche; und dann beendete die feurige Sense des Todes ihren Weg an dem Gebäude am Ende des Platzes, dessen letzter Seufzer das Poltern und Prasseln zusammenstürzender Trümmer war.
    Ich stand höchstens fünfzehn Schritte entfernt, und die Hitze, die von dem Feuerstrahl ausging, brachte meine Haut zum Glühen. Das erlöste mich aus meiner Erstarrung. Der Gedanke, dass ich mich tatsächlich mitten in einer Invasion befand, hatte mich so gelähmt, dass ich an nichts mehr denken konnte. Jetzt jedoch wurde mir schlagartig klar, dass ich jeden Moment sterben konnte. Die Invasion fand tatsächlich statt, obwohl ich es immer noch nicht fassen konnte. Aber ich war nur ein unmaßgeblicher Mitspieler, der im nächsten Augenblick vom Hitzestrahl verbrannt, unter einstürzenden Mauern begraben oder von einer vorbeijagenden Kutsche überfahren werden konnte, ohne dass mein Tod den Lauf der Dinge im Geringsten verändert hätte. Wie nie zuvor wurde ich mir meiner schrecklichen Schutzlosigkeit, meiner Verwundbarkeit bewusst. In jedem Moment konnte ich sterben, dachte ich, hätte schon tot sein können.
    Während ich noch beobachtete, wie die Kampfmaschine den Abschuss des nächsten Hitzestrahls in die Wege leitete, dachte ich an Victoria und an meinen Cousin und dessen Frau, die ebenfalls des Todes wären, wenn die Kampfmaschinen Queen’s Gate erreichten. Ich musste etwas unternehmen, musste fliehen, an ihre Seite eilen.
    Das zusammengeschossene Gebäude

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