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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Schürhaken umklammerte, aus dem Weg und tauchte den Löffel in sein Frühstück, sobald Gertrud es ihm schweigend vorgesetzt hatte. »Verschwinde«, grollte er an Bertram gewandt, dessen Nasenrücken bereits anschwoll.
    Mit gesenktem Kopf und einer gemurmelten Entschuldigung drückte der Junge sich an den beiden Gesellen vorbei, die ihm mit ausdruckslosen Mienen nachstarrten, verabschiedete sich mit einem lautlosen Dank von Gertrud und stürzte aus der Küche zurück in den Hof. Dort wäre er beinahe mit einer jungen Frau zusammengeprallt, die dem kleinen Mädchen den Milchkrug abgenommen und dessen Hand ergriffen hatte. »Vorsicht«, warnte diese gerade noch rechtzeitig, sodass er einen beinahe komisch anmutenden Haken schlug, mit dem er ein Entzweigehen des Gefäßes um Haaresbreite verhinderte.
    »Es tut mir leid«, stieß er hastig hervor, doch die Worte hatten kaum seinen Mund verlassen, als er diesen mit einem deutlich vernehmbaren Schnappen schloss. Die Dunkelheit der herbstlichen Dämmerung war inzwischen dem schüchternen Licht des frühen Morgens gewichen, und anders als an den Tagen zuvor versprach dieser Oktobertag von Anfang an sonnig und freundlich zu werden. Die ersten Strahlen lugten bereits vorwitzig durch den milchigen Schleier der sich verflüchtigenden Feuchtigkeit, und in dem Moment, in dem Bertram sein Gegenüber richtig wahrnahm, fing sich das Licht in dem rotblonden Haar. Von einer winzigen Kopfbedeckung akzentuiert, kräuselten sich die nicht in dem strengen Zopf gefangenen Strähnen der jungen Frau frech an ihren von Sommersprossen bedeckten Wangen, die ein feiner Rotton überzogen hatte. Die kornblumenblauen Augen weiteten sich kaum merklich, als sie seinen Blick erwiderte. Kleine, makellos weiße Zähne gruben sich verlegen in die Unterlippe, während ihre Hände fahrig den Stoff ihres einfachen Gewandes glatt strichen. 
    Der Augenblick schien alle Geräusche und Farben um ihn herum verblassen zu lassen, doch als die kleine Ida mit einem ungeduldigen Laut an der Hand der älteren zerrte, zerplatzte der Zauber wie eine Seifenblase.
    »Ich bin Anabel«, presste die junge Frau etwas atemlos hervor, und bevor Bertram die Höflichkeit erwidern konnte, ließ ihn das dröhnende Lachen des Gießers aus dem Inneren des Hauses zusammenzucken. »Du musst der neue Lehrling sein«, stellte Anabel überflüssigerweise fest, und nachdem er ein wenig ungelenk genickt hatte, fand er die Sprache wieder.
    »Mein Name ist Bertram.« Nach einer furchtsamen Wendung in Richtung Küche setzte er rasch hinzu: »Ich sollte mich besser beeilen.« Da seine Rechte instinktiv zu seiner geschwollenen Nase gezuckt war, verzog das Mädchen mitleidig das Gesicht und nickte verständnisvoll.
    »Ja, es ist nicht gut, seinen Zorn zu erregen.« Die ungewollte Bitterkeit in ihrer Stimme ließ Bertram erstaunt aufhorchen, doch nachdem er gesehen hatte, wie der Meister seine Gemahlin behandelte, konnte er sich ausmalen, was seine Kinder zu erdulden hatten. Denn keine Sekunde zweifelte er daran, dass es sich bei der anmutigen Schönheit um Conrads Tochter handelte, da sie nicht nur dessen Augenfarbe, sondern auch dessen Nase geerbt hatte, die für einen Mann von seiner Statur zu hübsch und zierlich war. »Werde ich dich wiedersehen?«, platzte es aus ihm heraus, bevor er sich auf die Zunge beißen konnte, und das Kichern der elfenhaften Ida ließ ihm die Hitze in die Wangen steigen.
    Nachdem sie das übermütig auf den Fußballen hin- und herwippende Kind mit einem tadelnden Blick bedacht hatte, legte Anabel gespielt grüblerisch die Stirn in Falten, und obschon sich auch ihre Haut merklich verfärbt hatte, gab sie scheinbar ruhig zurück: »Nachdem wir jetzt unter dem selben Dach wohnen.« Einzig das leichte Beben ihrer Stimme verriet, dass es auch ihr schwerfiel, die Gefühle zu verbergen, die sich bei der Begegnung mit Bertram Bahn gebrochen hatten.
    Sie wollte gerade etwas hinzufügen, als sich hinter dem Fenster die Silhouetten der Gießer bedrohlich längten. »Schnell«, flüsterte sie, umklammerte den Milchkrug fester und hastete mit eingezogenen Schultern auf den Eingang zur Küche zu, der sich in dem Augenblick öffnete, in dem Bertrams Rücken um die Ecke verschwand. Mit wild klopfendem Herzen und wirbelnden Gedanken flog er an den Zugtieren vorbei, brachte beinahe einen Stapel Bretter zu Fall und stob durch das Tor zur Glockenhütte, in der die Esse vom Vorabend erkaltet darauf wartete, erneut entzündet zu werden.

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