Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
ihm so gut wie nichts entging. Wenn man wissen wollte, was in einem bestimmten Teil der Stadt Arborlon, und sogar darüber hinaus, vor sich ging, oder wenn man herausfinden wollte, wer warum wo hingegangen war, dann war er der richtige Ansprechpartner. Seine Eltern hatten es schon vor Jahren aufgegeben, ihn zu kontrollieren; und zwar nicht nur am Tag, wenn er ohnehin so gut wie nie zu Hause war, sondern sogar des Nachts, wenn er eigentlich hätte schlafen sollen. Xac Wen erzählte jedem, der es wissen wollte und auch allen anderen, dass er keinen Schlaf brauchte. Ein paar Stunden reichten ihm schon aus, aber in der restlichen Zeit wollte er sich lieber umschauen.
Und genau das tat er gerade, als er kurz nach Mitternacht Arik Sarn bemerkte, der allein auf einer Nebenstraße durch die schlafende Stadt schlich. Natürlich war es möglich, dass er nur einen Spaziergang machte, aber Xac wusste, dass man keinen Rucksack und keine Waffen bei sich hat, wenn man nur kurz Luft schnappen will. Vielleicht war er auch unterwegs, um jemanden zu besuchen, aber nach Mitternacht besuchte man nur selten jemanden, und wenn doch, nicht so verstohlen. Normalerweise jedenfalls nicht. Außerdem war Arik Sarn allein, was darauf schließen ließ, dass seine Elfenwachen aus irgendeinem Grund versäumt hatten, ihrer Pflicht nachzukommen, die darin bestand, ihn jederzeit im Auge zu behalten.
Das beunruhigte den Jungen, und er beobachtete aus seinem Versteck in den Schatten heraus, wie der Troll an ihm vorbeiging, ohne auch nur in seine Richtung zu schauen oder sich anmerken zu lassen, dass er die Anwesenheit des Jungen bemerkt hatte. Xac wusste allerdings auch, dass Erwachsene sehr gut darin waren, so zu tun, als hätten sie einen nicht bemerkt, auch wenn sie es längst getan hatten. Deshalb wartete er, bis der Troll außer Sicht war. Dann verschwand er hinter einigen Gebäuden und schlich auf einem kleinen, kaum genutzten Pfad zwischen den Bäumen entlang zu der Stelle, wo die Straße, auf welcher der Troll ging, mit einer größeren zusammenlief.
Nur tauchte Arik Sarn nicht auf. Xac wartete, bis er überzeugt war, dass der Troll nicht mehr kommen würde, dann dachte er eine Weile darüber nach und eilte schließlich auf die Carolanischen Höhen, um einen Rundblick auf die Stadt zu haben. Er ging zügig, hielt sicheren Abstand zu dem Weg, den der Troll seiner Überzeugung nach genommen haben musste, huschte leise zwischen dunklen Bäumen hindurch und enge Gassen entlang, mied Häuser und Leute und hielt sich vom Licht fern. Als er die Gärten und den Steilhang erreichte, atmete er kurz und schnell. Ohne sich blicken zu lassen ließ er sich auf den Boden fallen, kroch in die blühenden Büsche, legte sich flach auf den Boden und lauschte. Er hätte gern seinen Kopf herausgestreckt, um nachzuschauen, aber seine Instinkte warnten ihn davor.
Er wartete eine lange Zeit.
Dann hörte er in nächster Nähe leise Schritte. Sie setzten an, stoppten und gingen dann weiter. Jemand durchsuchte die Gärten und nahm sich viel Zeit dafür, untersuchte sorgfältig jedes einzelne Beet.
Wonach suchte er?
Nach ihm, Xac?
Dem Jungen lief es bei diesem Gedanken kalt den Rücken herunter, und er kroch noch weiter in die Büsche neben sich, schob sich langsam so tief unter sie, dass sie ihn komplett zudeckten. Dann verschränkte er Arme und Beine. Er versuchte, sich mit aller Macht dazu zu zwingen, unsichtbar zu werden.
Erneut wartete er einige Zeit.
Plötzlich tauchte der Troll am oberen Ende des Beetes auf, in dem er sich versteckte. In einer Hand hielt er ein langes Messer, er drehte den Kopf nach links und rechts und musterte die ganze Umgebung sehr genau. Xac Wen hielt den Atem an und unterdrückte das Bedürfnis, aufzuspringen und wegzulaufen. Er hatte recht daran getan, nicht das Risiko einzugehen, sich sehen zu lassen, aber möglicherweise war es ein großer Fehler gewesen, überhaupt hierherzukommen.
Es verging viel Zeit, eine Ewigkeit, bis der Troll endlich weiterging.
Xac wartete. Noch immer atmete er nur ganz flach und presste sich gegen die Erde. Er spürte fast den Blick des Trolls, stellte sich vor, wie dessen große Hände seine Schultern packten und ihn auf die Füße rissen. Das malte er sich aus, und noch so einiges mehr, was er aber lieber nicht vertiefen wollte.
Als schließlich so viel Zeit vergangen war, dass er sich wieder sicher fühlte, kroch er vorsichtig unter den Büschen hervor und robbte langsam zur Kante des Felsplateaus.
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