Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
Runen auf der Kette größtenteils denen ähnelten, die sich auf Nodûcors Halbmaske befanden. Gab er die Entführung in Auftrag, oder ist es ein Zufall?
Shôtoràs blieb wieder stehen, die Hand lag auf der Klinke. »Wir werden es prüfen. Und wenn es so ist, schreckt es mich nicht. Die Steilhänge schützen uns, unsere Katapulte sind geladen und unsere Cîani bestens vorbereitet.«
»Mit Dunkelheit und Angst hält man sie nicht auf.« Aiphatòn ärgerte sich, dass er Shôtoràs warnen musste, dem er ein solch erbärmliches Ende durchaus gönnte – wenn die Albae dadurch nicht zur Gefahr für andere werden würden. Es ist ein grausames Spiel von Samusin, dass Inàstes Kinder die Lust verloren, andere Völker zu unterwerfen, und ihnen genau deswegen Gefahr droht.
Der Regent drückte die Klinke hinab. »Lethòras, zeige ihm, warum wir uns nicht fürchten. Dann werft sie endlich hinaus.« Shôtoràs verließ die Halle der Gesuche.
»Sieh hin.« Der Alb in der Robe stand neben dem Aufgang. Er vollzog zwei knappe Gesten und sprach zwei Silben, dann sprang ein Blitz aus seiner Handinnenfläche und raste gegen Aiphatòn.
Die beabsichtigte Zurschaustellung der überlegenen magischen Macht geschah zu rasch, als dass er dem Cîanoi eine Warnung hätte zurufen können. Kaum jagte der Zauber gegen ihn, reagierte die Legierung mit einer Gegenentladung und sandte die Energie verstärkt zurück gegen den Magier. Der Blitz änderte dabei seine Farbe von Grellweiß zu Grün.
Lethòras wurde vom Strahl erfasst. Zwar glomm ein hektisch beschworener Abwehrspruch um den Cîanoi auf, doch die Formel war nicht stark genug, um die Wirkung aufzuhalten.
Er stieß einen grauenhaften Schrei aus und wurde gegen die Wand geschleudert, als hätte ihn ein Troll geworfen. Um seinen Hinterkopf spritzte das Blut wie eine Gloriole gegen das Mauerwerk, Arme und Beine hatte er ausgebreitet, dann stürzte er auf die Treppe und lag still. Haarsträhnen, Knochenstückchen und Hirnmasse hafteten an den Steinen.
Der gepanzerte Krieger bückte sich und sah nach dem Cîanoi, die tätowierte Rothaarige starrte Aiphatòn entsetzt an.
Ich werde ihn nicht mehr wegen Nodûcors Entführung fragen können. »Wir gehen«, raunte Aiphatòn dem fahlen Alb zu und zog ihn mit sich. »Man will uns ohnehin nicht hier.«
Die Wachen und Vailóras wichen vor ihnen zurück, die erschreckenden Eindrücke saßen tief. Dâkiòns Magie schien einen Meister gefunden zu haben.
Erst als Aiphatòn und Nodûcor im Freien auf der Straße angelangt waren, erklang ein lauter Ruf aus der Halle.
Die Krieger folgten ihnen im Laufschritt. »Stehen bleiben!«, befahl Vailóras den beiden.
»Ich konnte nichts dafür«, gab Aiphatòn zurück und dachte nicht daran, der Aufforderung Folge zu leisten. »Jedem, der mich magisch angreift, wird es so ergehen.«
»Darum geht es nicht. Pasôlor will mit dir reden«, rief Vailóras und hielt an. »Es könnte sein, dass sich der Regent irrt und du doch eine Bereicherung für Dâkiòn bist.«
»Bereicherung? Eher will er sich an mir bereichern.« Zuerst werfen sie uns raus, dann wollen sie, dass wir bleiben. Aiphatòn schüttelte den Kopf und trabte mit Nodûcor auf die erste Brücke zu. Er wollte sich erst Elhàtor ansehen. Ich weiß, was sie umtreibt. Jetzt, nachdem sie meine Macht sahen, fürchten sie plötzlich, dass wir der anderen Stadt von Nutzen sein können. »Wir sind nicht erwünscht und haben auch selbst nicht mehr den Wunsch, Unterschlupf zu erhalten«, entgegnete er. »Das ergänzt sich meines Erachtens ausgezeichnet. Leb wohl! Und das nächste Mal zahle ich sicherlich.«
Sie liefen durch das nächtliche Dâkiòn und folgten der breiten Hauptstraße, die in gerader Linie nach Osten zu einer der Brücken und damit zur Stadt hinaus führte.
Wieder gab es keine Gelegenheit, die Kunstwerke, die Statuen und die Ornamente genau zu studieren, an denen sie vorbeihasteten. Aiphatòn kam sich, umringt von den übergroßen, beeindruckenden Häusern, kleiner als ein Kind vor. Das unangenehme Kribbeln wurde stärker. Vielleicht reagierte meine Legierung deshalb heftiger als üblich?
Hufschlag erklang, der ihnen folgte und sie einholte.
Vailóras und seine Truppe hatten sich auf ihre Nachtmahre begeben und begleiteten sie weiterhin, ohne sie jedoch zu bedrängen.
»So wartet doch! Pasôlor ist einer der engsten Vertrauten des Regenten. Er ist sehr daran interessiert, dass ihr zumindest bis morgen bleibt, damit er auf Shôtoràs
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