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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Griechenland. Na ja, da werden sie zumindest nicht vom Hochwasser aus ihrem Haus vertrieben. Sie sehen, wir sitzen im selben Boot, Sie und ich. Obwohl ich heute wünschte, ich hätte ein verdammtes Boot, haha. Sie kennen London nicht, oder?«
    Helen hob die Schultern. »Nur als Touristin.«
    »Kein guter Tag für eine Besichtigungstour. Hören Sie zu. Wenn Sie nicht weiterkommen, versuchen Sie, zu einer Straße namens The Strand zu gelangen. Geht vom Trafalgar Square ab. Können Sie gar nicht verfehlen.«
    »Warum dorthin?«
    »Weil dort früher mal das Ufer war, die Docks, bevor sie den Fluss einbetoniert haben. ›Strand‹ bedeutet ›Flussufer‹. Selbst wenn die Themse über ihre jetzigen Ufer tritt, höher wird sie kaum werden, oder? Ist doch logisch.«
    »Ich werd’s mir merken. Danke.«
    »Passen Sie auf sich auf.«
    Helen setzte ihre Kapuze auf und zog sie am Hals und um das Gesicht herum fest zu. Sie vergewisserte sich, dass der Reißverschluss ihres Overalls hochgezogen war. Dann wappnete sie sich innerlich und öffnete die Tür.

17
    Sie musste sich in den Wind lehnen. Regenböen schlugen ihr ins Gesicht, klebten ihr Haarsträhnen in die Stirn.
    Helen entfernte sich vom Wagen, drängte sich durch nervöse Menschenmengen und arbeitete sich westwärts voran, in Richtung der Blackfriars-Brücken und des dahinter liegenden Westends. Zwischen Fahrbahn und Bürgersteig bestand kein großer Unterschied mehr, die Leute bahnten sich ihren Weg um die stehenden Fahrzeuge herum. Auch manche Fahrer verließen jetzt ihre Wagen; Autotüren öffneten sich wie aufbrechende Schalen, und die Insassen stiegen aus und zuckten unter dem Bombardement der Regentropfen zusammen. Über dem Gebrabbel lautstarker Gespräche hörte Helen das Jaulen von Autoalarmanlagen und das Heulen von Sirenen, das Knattern von Hubschrauberdrehflügeln irgendwo über ihr und das allgegenwärtige Rauschen des Regens, der auf die Dächer der Wagen, den Asphalt, die Kleidung und Schirme der Fußgänger prasselte. Die Welt war kalt, windig, nass und laut.
    Und unter all dem glaubte sie noch ein tieferes Grollen zu hören, das von Osten her kam, aus Richtung der Themsemündung her. Es klang wie das gefährliche Knurren eines sich nähernden Raubtieres.
    Sie kam nur langsam voran. Kaum hatte sie ein, zwei Meter zurückgelegt, wurde sie von der nervösen Ziellosigkeit
der Menge auch schon wieder zum Anhalten gezwungen. Sie sah Eltern mit Kindern, sah Touristen, eine Schar Japaner oder Koreaner in durchsichtigen Plastik-Ponchos, die mit schreckgeweiteten Augen in Handys schrien. Die Männer trugen Shorts und Sandalen, und ihre Beine waren schwarz von dem schmutzig-trüben Wasser.
    Nach einer Weile hielt Helen, die bereits die Nase voll hatte und allmählich müde wurde, bei einem Cola-Automaten an, förderte aus ihren Taschen ein paar Münzen zutage und zog sich eine Flasche. Ein Soldatentrick, den sie in ihrer Zeit in Barcelona gelernt hatte: Man trank das Zeug wegen des Zuckerschubs und des Koffeins. Sie leerte die Flasche rasch, warf sie einfach weg und ging weiter. Es war kein Tag, an dem man sich allzu viele Gedanken über korrekte Müllentsorgung machte.
    Hinter Blackfriars ging sie die Krümmung des Victoria Embankment entlang. Hier war die Straße von Bäumen, Laternenpfählen und Denkmälern gesäumt, die für Großbritanniens ruhmreiche Vergangenheit standen. Am Fluss entlang verlief eine Schutzmauer, die Helen ungefähr bis zur Taille reichte. An manchen Stellen führten Stufen hinüber, die für gewöhnlich Zugang zu einem Anleger oder einem Vergnügungsboot gewährten; heute jedoch blieb das Wasser des schnell dahinströmenden Flusses nur knapp unter dem Rand der Mauer und schickte Gischtschauer auf die Straße. Sie eilte weiter, Richtung Waterloo Bridge. Am gegenüberliegenden Südufer drängten sich das IBM-Gebäude und das National Theatre, und hinter dem Theatre erstreckte sich ein riesiger Wohnblock, eine weitere Neuheit, die das Bild beherrschte.

    Und dann stieg eine gewaltige Woge über die Embankment-Mauer empor, türmte sich hoch auf und klatschte auf die Dahineilenden herab. Das Wasser war schmutzig und schlammig. Menschen schrien auf und wichen geduckt zurück. Andere hoben ihre Kameras und Handys, um das Schauspiel einzufangen. Helen lief weiter. Ihre gestiefelten Füße patschten durch schlammiges Wasser, das über die Wölbung der Straße in die Gullys lief - aber die Gullys waren bereits voll, das Wasser staute sich darin, und

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