Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
seiner Seele nistete womöglich ein winziges Körnchen Eifersucht.
Lily reagierte jedoch nicht auf seinen Einwurf.
»Moment mal«, sagte Piers jetzt. Er langte nach vorn und tippte auf einer unsichtbaren Tastatur.
Die Bilder auf dem Laptop blinkten und stabilisierten sich dann wieder, aber die Bildqualität war schlechter, der Ton kratziger.
»Was war das?«, fragte Amanda. »Ist irgendwas kaputt?«
»Nein. Ich habe uns durch einen militärischen Verschlüsselungsfilter geschickt, jetzt sind wir einigermaßen sicher. Wisst ihr, ich habe den letzten Teil eures Gesprächs mit angehört. Ich möchte euch einen Rat geben, euch allen. Dieses Theoretisieren über den Anstieg des Meeresspiegels ist im Grunde irrelevant. Ganz gleich, was mit dem Ozean los ist, in Zukunft werden die Dinge wahrscheinlich erheblich schwieriger werden.«
»Schwieriger«, sagte Michael nur.
»Ja, schwieriger. Ich habe mich bereits mit Lily über ein paar Aspekte des größeren Ganzen unterhalten. Wir erleben jetzt schon, dass die Flüchtlingsströme und der Mangel an Süßwasser und trockenem Land kleine Kriege auslösen, dass neue Zwänge alte Spannungen verschärfen. Momentan sind es die üblichen Pulverfässer, die explodieren, zum Beispiel Indien gegen Pakistan - obwohl dieser Konflikt angesichts des Ausmaßes der humanitären Krise, die sich in den Deltas entfaltet, beinahe untergeht. Aber letztendlich wird kein Flecken der Erde immun sein.«
Seine trockene, lakonische Sprechweise war auf seltsame Weise erschreckend. Helen fragte sich, auf was für Lagebesprechungen seine Worte basieren mochten. Sie legte eine Hand auf Michaels Arm. »Und wie lautet dein Rat, Piers?«
»Nach Hause zu gehen. Zurück nach Großbritannien, sobald ihr könnt. Klar, England steht unter großem Druck wegen des verlorenen Ackerlands, wegen der Überschwemmung Londons und der anderen Städte. Und wir sind immer noch stark abhängig von importierten Nahrungsmitteln und Energieträgern. Aber Tatsache ist, dass Großbritannien
eine Insel ist, und das gewährt uns eine gewisse natürliche Sicherheit. So war es schon immer. Die Regierung arbeitet derzeit an einem Stabilitätssofortprogramm, mit dem die Nahrungsmittel- und Energieversorgung unabhängig von Auslandsimporten gesichert werden soll - ich meine, wir haben Kohle, Gas und Öl aus der Nordsee und auch Atomkraft. Selbst in einigen der schlimmsten Klimawandelszenarien kommt Großbritannien ziemlich gut weg. Ein Versiegen des Golfstroms und die daraus folgende Abkühlung des Nordatlantiks könnten durch eine umfassende Erwärmung der Arktis ausgeglichen werden.«
»Wir sollen uns also in die Festung Britannien zurückziehen«, sagte Lily, »während der Rest der Welt absäuft.«
»Nun, denkt einfach mal darüber nach. Du hast gewollt, dass wir zusammenhalten, Lily. Was kann ich anderes tun, als euch meinen besten Rat zu geben?«
»Ich weiß das zu schätzen, Piers, aber du wirst mich nicht von meinen Tauchfahrten abhalten. Es gibt keinen wissenschaftlichen Konsens über den Anstieg des Meeresspiegels. Meinst du nicht, es wäre ein paar U-Boot-Ausflüge wert, Genaueres herauszufinden?«
»Die richtige Frage lautet: Wäre es den Verlust deines Lebens wert?« Er sah sie fest an. »Ich mache mir wirklich Sorgen um deine Sicherheit, Lily, ob du’s glaubst oder nicht.«
Sie ergriff seine Hand. »Ich weiß. Aber ich muss dorthin. Wer soll denn sonst auf Gary aufpassen?«
Er lachte. Dann nahm er die Hand weg und stand auf. »Ich muss wieder an die Arbeit.«
Helen runzelte die Stirn. »Das ist nicht dein Ernst. Du bist erschöpft.«
Piers lächelte und bückte sich, so dass die anderen sein Gesicht auf ihren Bildschirmen sehen konnten. »Ich komme schon klar. Gute Nacht, alle miteinander.«
»Gute Nacht und guten Morgen, Piers«, sagte Amanda.
Als er fort war, schüttelte Michael den Kopf. »Er trägt Shorts und keine Krawatte, aber sonst hat er sich nicht geändert. Ich habe es schon gesagt, als ich ihn das erste Mal getroffen habe: Eines Tages wird dieser Mann zerbrechen wie ein trockener Zweig.«
Lily schnaubte. »Also, mir redet er meinen U-Boot-Trip nicht aus. Und ich will unser Schwätzchen auch noch nicht beenden, die Nacht ist schließlich noch jung. Was sagt ihr zu einer Kaffeepause? Mal sehen, ob ich diesen lausigen Militärfilter rauskriege.«
Sie stimmten zu und trennten sich. Lily füllte die Bildschirme mit einem albernen Screensaver, ein Relikt aus ihrer Kindheit, eine puppenartige
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