Die letzte Kolonie
gemeldet.
»Eins nach dem anderen«, sagte ich zu Jane, nachdem Therese Arlien gekommen war, um die Vermisstenmeldung aufzugeben. »Wo hat sich Henri Arlien in letzter Zeit aufgehalten?«
»Während des Tages ist er zum Arbeitsdienst draußen«, sagte Jane. »Er ist nur dann ganz allein, wenn er mal pinkeln muss. Die Nächte verbringt er in seiner Zelle im Gefängnis.«
»Diese Zelle würde ich nicht gerade als ausbruchsicher bezeichnen«, sagte ich. Im vorigen Leben war die Zelle ein Pferdestall gewesen.
»Richtig«, sagte Jane. »Aber der Viehcontainer ist es. Eine Tür mit einem Schloss, das sich außen befindet. Nachts kann er sich nicht davonschleichen.«
»Er könnte einen Freund überredet haben, Loong zu besuchen«, sagte ich.
»Ich glaube nicht, dass Arlien Freunde hat«, sagte Jane. »Chad und Ari haben ihre Nachbarn vernommen. So ziemlich alle sagten, Henri hätte bekommen, was er verdient hat, als Therese ihm eins mit der Pfanne übergezogen hat. Chad soll weitere Erkundigungen einziehen, aber ich glaube nicht, dass wir etwas finden.«
»Und was glaubst du, was passiert ist?«
»Loongs Grundstück liegt am Waldrand«, sagte Jane. »Therese sagte, dass sie des Öfteren Spaziergänge im Wald unternommen haben. Die Fantchen ziehen dort vorbei, und Loong wollte sie sich aus der Nähe ansehen.« Als Fantchen wurden die schwerfälligen Tiere bezeichnet, die einige Leute kurz nach der Landung am Waldrand gesehen hatten. Offenbar unternahmen sie auf der Suche nach Nahrung längere Wanderungen. Bei unserer Ankunft hatten wir die Nachhut gesehen, jetzt schienen die Fantchen-Züge zu beginnen. Ich fand, dass sie etwa genauso viel Ähnlichkeit mit Elefanten
hatten wie ich, aber der Name war kleben geblieben, ob er nun passte oder nicht.
»Also ist Loong den Fantchen hinterhergelaufen und hat sich verirrt.«
»Oder er wurde zertrampelt«, sagte Jane. »Die Fantchen sind recht große Tiere.«
»Dann sollten wir einen Suchtrupp zusammenstellen«, sagte ich. »Wenn sich Loong wirklich nur verlaufen hat und vernünftig denkt, bleibt er, wo er ist, und wartet, dass wir ihn finden.«
»Wenn er vernünftig denken würde, wäre er gar nicht erst den Fantchen hinterhergelaufen.«
»Auf einer Safari würdest du den Leuten jeden Spaß verderben.«
»Die Erfahrung lehrt mich, nicht auf die Jagd nach außerirdischen Geschöpfen zu gehen«, sagte Jane. »Weil sie häufig den Spieß umdrehen und selber zu Jägern werden. In einer Stunde habe ich einen Suchtrupp zusammengestellt. Du solltest auch mitkommen.«
Der Suchtrupp zog kurz vor Mittag los. Er bestand aus einhundertfünfzig Freiwilligen. Auch wenn Henri Arlien offenbar nicht sehr beliebt war, hatten sowohl Therese als auch Loong jede Menge Freunde. Therese wollte ebenfalls mitkommen, aber ich schickte sie mit zwei ihrer Freundinnen nach Hause. Ich wollte es ihr ersparen, möglicherweise auf Joes Leiche zu stoßen. Jane verteilte kleinere Gruppen auf verschiedene Suchgebiete und ermahnte jede Gruppe, in Rufweite der nächsten zu bleiben. Savitri und Beata, die trotz ihres interessant gescheiterten Rendezvous Freundinnen geblieben waren, machten
sich zusammen mit mir auf die Suche. Savitri klammerte sich die ganze Zeit an einen altertümlichen Kompass, den sie zuvor im Tauschgeschäft von einem Mennoniten erworben hatte. Jane, die ein Stück weiter durch den Wald stapfte, wurde von Zoë, Hickory und Dickory begleitet. Ich war nicht gerade begeistert, dass Zoë an der Suchaktion teilnahm, aber zwischen Jane und den Obin war sie selbst im Wald vermutlich sicherer als zu Hause in Croatoan.
Drei Stunden später kam Hickory herbeigesprungen, ein dunkler Schatten in seinem Nanonetzanzug. »Lieutenant Sagan wünscht Sie zu sprechen«, sagte er.
»Sofort.« Ich winkte Savitri und Beata, mir zu folgen.
»Nein«, sagte Hickory. »Nur Sie.«
»Was ist los?«
»Das kann ich nicht sagen. Bitte, Major. Sie müssen mitkommen.«
»Also müssen wir allein durch den finsteren Wald irren«, sagte Savitri zu mir.
»Sie können umkehren, wenn Sie möchten. Aber sagen Sie den anderen Gruppen, dass sie die Lücke schließen sollen.« Dann folgte ich Hickory, der ein strammes Tempo vorlegte.
Mehrere Minuten später erreichten wir Jane. Sie stand zusammen mit Marta Piro und zwei weiteren Kolonisten zwischen den Bäumen. Alle drei hatten den gleichen leeren, betroffenen Gesichtsausdruck. Hinter ihnen lag der riesige Kadaver eines Fantchens, der von winzigen Fluginsekten
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