Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
auf ihrem Kamel selbstbewusst und majestätisch aus, so als würde sie auf ihrem Pferd sitzen und hätte ihr Leben lang nichts anderes getan. Nicht einmal Farr erschien so entspannt wie sie, obwohl er offensichtlich ein erfahrener Reiter war.
Travis hingegen hüpfte auf dem harten, rechteckigen Sattel oben auf dem Höcker seines Reittiers auf und ab; sein schwarzer Serafi flatterte um seine Gliedmaßen. Das Kamel ging mit einem seltsamen Schritt, der von einer Seite zur anderen schaukelte, und er kam sich wie Ei auf einem Tablett vor, das oben auf einer Bergspitze balancierte. Bei einem Erdbeben. Der Sand befand sich schockierend tief unter ihm, aber wenigstens würde er für eine weiche Landung sorgen, falls er stürzen sollte. Vielmehr wenn er stürzte.
Aber Travis konnte Trost in der Tatsache finden, dass es ihm nicht annähernd so schlecht ging wie Meister Larad. Das narbige Gesicht des Runenmeisters zeigte im Mondlicht einen grünen Schimmer.
»Auf und ab, zurück und nach vorn«, zischte er zwischen den zusammengebissenen Zähnen. »Kann dieses verfluchte Biest denn nicht mit dem Schaukeln aufhören? Bei Olrig, das ist schlimmer als auf See. Ruhig, jetzt. Ruhig!«
Travis machte einen vergeblichen Versuch, sein Lachen zu unterdrücken. Er hatte nach ihrem Aufbruch mit Larad sprechen wollen; schließlich hatte der Runenmeister über den Riss diskutieren wollen. Aber Travis entschied, dass das warten konnte. Außerdem hatte er andere Dinge im Kopf.
Sobald euch die Macht von Morindu zur Verfügung steht, wird es nur wenig geben, was ihr nicht erreichen könnt …
Travis' Heiterkeit verflog. Was hatte Avhir mit diesen Worten gemeint?
Du weißt genau, was er gemeint hat. Morindu war eine Stadt der Zauberer – der mächtigsten Zauberer, die je gelebt haben. Wer weiß, welches Wissen dort begraben liegt, welche Geheimnisse, welche Artefakte?
Unwillkürlich schaute er nach links. Wusste Farr, was in Morindu begraben lag? War das der Grund für seine Hilfe? Nicht um Nim zu befreien oder die Scirathi an ihrer Suche nach der Macht zu hindern, sondern um diese Geheimnisse, diese Macht für sich selbst zu fordern?
Travis musterte den ehemaligen Sucher, als könnte das Mondlicht Geheimnisse enthüllen, die das Tageslicht verbarg. Vor ihrem Aufbruch hatte sich Farr frisch gemacht. Er hatte den Bart abrasiert und die Haare geschnitten, und abgesehen von seinem schwarzen Serafi sah er aus wie der Mann, den Travis in Erinnerung hatte: auf dunkle Weise attraktiv, unwiderstehlich, aber auch gefährlich, wie der gejagte Held eines Noir-Films. Dann sah Travis an Farr vorbei und bemerkte, dass er nicht der Einzige war, der den ehemaligen Sucher musterte.
Er wartete, bis sie um den Fuß eines bogenförmigen Sandkamms ritten, dann brachte er sein Kamel mit viel mehr Zügen an den Zügeln als gedacht in Graces Nähe.
»Können wir ihm vertrauen?«, fragte er leise.
Grace sah ihn überrascht an, dann wandte sich ihr Blick zu Farr, der voraus ritt.
Er sieht verändert aus, sagte Travis in Gedanken. Er wusste, dass sie – und nur sie – ihn hören konnte.
Er ist verändert, erwiderte Graces Stimme in seinem Bewusstsein. Sareth hat gesagt, dass die Ausübung von Blutzauberei einen Mann verändert, und darum sollten wir ihm nicht vertrauen. Aber ich glaube kaum, dass wir eine Wahl haben.
Travis befeuchtete die Lippen; sie fühlten sich bereits trocken und gesprungen an. »Er hat sich in dich verliebt, Grace, als er dich als Sucher beobachtet hat. Das hat mir Deirdre erzählt.«
»Ich weiß«, sagte Grace. »Zumindest glaube ich das.«
»Und liebst du ihn?«
Sie lächelte; es war ein trauriger Ausdruck. In Malachor habe ich manchmal an ihn gedacht. Ich habe mich gefragt, was ich wohl zu ihm sagen würde, sollte ich ihn je wiedersehen, wie es wohl sein würde, wenn er in der Nähe ist. Aber ich habe nie geglaubt, dass das jemals passiert. Das machte es sicher, über ihn nachzudenken. Aber das hier fühlt sich …
Gefährlich an, sagte er in ihren Gedanken.
Sie schüttelte den Kopf. Es ist nicht wichtig, was auch immer ich für ihn empfinde. Wichtig ist allein, dass wir Nim finden. Ich bin keine Expertin, wenn es um Gefühle geht, aber eines weiß ich mit Sicherheit: Ich liebe dich, Travis, und ich liebe Beltan. Und wir werden deine Tochter finden.
»Danke.« Es klang wie ein Krächzen.
»Mach dir um ihn keine Sorgen, Travis«, sagte Grace und sprach jetzt laut weiter. »Sollte Hadrian etwas vorhaben, dann wird sie
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