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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Unternehmen gesprochen, Miss Charlie?« Charlie zitterte und schlürfte ein bisschen Kaffee, was Helga als Antwort ebenso gut zu gefallen schien. »Na, sie wacht endlich auf. Möchten Sie noch mehr Kaffee, Charlie? Soll ich welchen heiß machen? Oder was zu essen? Wir haben Käse hier, Eier, Wurst - alles.«
    Charlie schüttelte den Kopf und ließ sich von Helga auf die Toilette führen, wo sie lange blieb, sich Wasser ins Gesicht klatschte, würgte und dabei wünschte, sie hätte genug Ahnung vom Deutschen, um etwas von der beunruhigenden und stakkatohaften Unterhaltung mitzubekommen, die durch die papierdünne Tür an ihr Ohr drang. Als sie zurückkam, fand sie Mesterbein in seinem braunen Gabardine - Trenchcoat an der Haustür stehen.
    »Miss Charlie, lassen Sie es sich von mir gesagt sein: Fräulein Helga steht voll und ganz unter dem Schutz des Gesetzes«, sagte er und schritt zur Tür hinaus.
    Endlich allein! Zwei Frauen unter sich!
    »Anton ist ein Genie«, verkündete Helga lachend. »Er ist unser Schutzengel. Er hasst das Gesetz, aber natürlich verliebt er sich in das, was er hasst. Stimmen Sie mir zu? …Charlie, Sie müssen mir immer zustimmen, sonst bin ich enttäuscht.« Sie kam näher. »Gewalt ist nicht das Problem«, sagte sie und nahm eine Unterhaltung
    wieder auf, die sie noch gar nicht geführt hatten. »Niemals: Wir machen eine Gewaltaktion, wir machen eine friedliche Aktion, es ist egal. Für uns ist das große Problem, logisch zu sein, nicht beiseite zu stehen, wahrend die Welt ihren Lauf nimmt, Meinung in Überzeugung zu verwandeln und Überzeugung in Handeln.« Sie hielt inne, beobachtete die Wirkung ihrer Aussage auf ihre Schülerin. Ihre Köpfe waren sehr nahe beieinander. »Handeln ist Selbstverwirklichung und außerdem objektiv, ja?« Wieder eine Pause, aber immer noch keine Antwort. »Und wissen Sie noch was, was Sie völlig überraschen wird? Ich habe eine ausgezeichnete Beziehung zu meinen Eltern. Bei Ihnen ist das ganz anders. Das sieht man aus Ihren Briefen. Bei Anton auch. Natürlich ist meine Mutter die Intelligentere, aber mein Vater…« Sie sprach nicht weiter, doch diesmal ärgerte sie sich über Charlies Schweigen und darüber, dass sie wieder weinte.
    »Charlie, hören Sie jetzt auf. Aufhören , okay? Wir sind schließlich keine alten Weiber. Sie haben ihn geliebt, das akzeptieren wir als logisch, aber er ist tot.« Ihre Stimme war erstaunlich hart geworden. »Er ist tot, aber wir sind keine Individualisten, denen es nur um das persönliche, das private Erleben geht, sondern wir sind Kämpfer und Arbeiter. Hören Sie mit der Heulerei auf!«
    Helga packte Charlie beim Ellbogen und schob sie buchstäblich hoch, um sie durch die ganze Länge des Raums zu führen. »Hören Sie mir zu. Sofort! Ich hatte mal einen sehr reichen Freund. Kurt. Faschistisch bis in die Knochen, sehr primitiv. Ich brauchte ihn für den Sex, so wie ich jetzt Anton brauche, aber außerdem habe ich versucht, ihn zu erziehen. Eines Tages wurde der deutsche Botschafter in Bolivien, ein Graf Soundso, von den Freiheitskämpfern hingerichtet. Erinnern Sie sich an diese Aktion? Kurt, der ihn nicht einmal kannte, war sofort voller Empörung: ›Diese Schweine! Diese Terroristen! Eine Schande ist das!‹ Ich sagte zu ihm: ›Kurt‹ - so hieß er - ›um wen trauerst du eigentlich? Jeden Tag verhungern Menschen in Bolivien. Wieso sich da über einen toten Grafen aufregen?‹ Stimmen Sie mir in dieser Beurteilung zu, Charlie? Ja?« Charlie zuckte kaum merklich mit den Achseln. Helga drehte sie zu sich um und ging endlich auf ihr Ziel los. »Nehmen wir ein stichhaltigeres Argument. Michel ist ein Märtyrer, aber Tote können nicht kämpfen, und es gibt noch viele andere Märtyrer. Ein Soldat ist tot. Die Revolution geht weiter. Ja?«
    »Ja«, flüsterte Charlie.
    Sie hatten das Sofa erreicht. Helga nahm ihre vernünftige Handtasche und holte eine flache halbe Flasche Whisky heraus, auf der Charlie das Etikett des Duty-free-Shops erkannte. Sie schraubte den Verschluss auf und reichte ihr die Flasche. »Auf Michel«, erklärte sie. »Wir trinken auf ihn. Auf Michel! Sagen Sie es!«
    Charlie nahm einen kleinen Schluck und verzog das Gesicht. Helga nahm ihr die Flasche wieder ab.
    »Setzen Sie sich, Charlie. Ich möchte, dass Sie sich hinsetzen. Jetzt, sofort!«
    Schwunglos nahm sie auf dem Sofa Platz. Wieder stand Helga über ihr.
    »Sie hören mir zu, und Sie antworten, okay? Ich bin nicht zum Spaß hierhergekommen,

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