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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Gerät für Spione. Woher kommt es? Wieso trägt eine Frau wie Sie in ihrer Handtasche ein Radio mit sich herum?« Charlie überließ Helga ihren eigenen Sorgen, wandte sich von ihr ab und starrte, ohne etwas wahrzunehmen, ins Feuer. Helga fummelte an den Knöpfen des Radios herum und bekam Musik herein. Sie stellte es ab und legte das Gerät gereizt beiseite. »In Michels letztem Brief - dem, den er nicht an Sie abgeschickt hat - schreibt er. Sie hätten die Pistole geküsst. Was bedeutet das?« »Das bedeutet, dass ich seine Pistole geküsst habe.« Sie verbesserte sich. »Die Pistole seines Bruders.«
    Helgas Stimme wurde unversehens lauter. »Seines Bruders? Was für eines Bruders?« »Er hatte einen älteren Bruder. Sein großes Vorbild. Ein großer Kämpfer. Der Bruder hat ihm die Pistole gegeben, und zum Schwur musste ich sie küssen.«
    Fassungslos starrte Helga sie an. »Das hat Michel Ihnen erzählt?«
    »Nein, ich hab’s in der Zeitung gelesen - wo denn sonst?« » Wann hat er Ihnen das erzählt?« »Auf einer Hügelkuppe in Griechenland.« »Was noch von seinem Bruder - rasch!« Sie schrie fast. »Michel hat ihn angebetet. Habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
    »Handfeste Fakten. Nur handfeste Fakten. Was hat er Ihnen sonst noch von seinem Bruder erzählt?«
    Doch die verborgene Stimme in Charlie sagte ihr, dass sie bereits weit genug gegangen sei. »Er ist ein militärisches Geheimnis«, sagte sie und nahm sich wieder eine Zigarette.
    »Hat er Ihnen gesagt, wo er ist? Was er macht? Charlie, ich befehle Ihnen, es mir zu sagen!« Sie rückte ein Stück näher. »Polizei. Geheimdienst, vielleicht sogar die Zionisten - alle halten Ausschau nach Ihnen. Wir haben ausgezeichnete Beziehungen zu bestimmten Bereichen der deutschen Polizei. Sie wissen bereits, dass es nicht die Holländerin war, die den Mercedes durch Jugoslawien gefahren hat. Sie haben Beschreibungen. Sie haben überhaupt eine Menge Sie belastendes Material. Wenn wir wollen, können wir Ihnen helfen. Aber nicht, ehe Sie uns nicht alles gesagt haben, was Michel Ihnen über seinen Bruder anvertraut hat.« Sie lehnte sich vor, bis ihre großen blassen Augen nur noch eine Handbreit von Charlies Augen entfernt waren. »Er hat kein Recht dazu gehabt, Ihnen von ihm zu erzählen. Sie haben kein Recht auf diese Information. Geben Sie sie mir!«
    Charlie erwog Helgas Ersuchen, doch nachdem sie gebührend darüber nachgedacht hatte, lehnte sie es ab. »Nein«, sagte sie. Sie hatte vorgehabt, ein: Ich hab’s versprochen, und dabei bleibt’s, folgen zu lassen, ein: Ich traue Ihnen nicht - lassen Sie mich in Ruhe! Doch nachdem sie ihrem schlichten »Nein« eine Zeitlang nachgelauscht hatte, fand sie, es sei doch besser, dem nichts hinzuzufügen.
    Deine Aufgabe ist es, sie dazu zu bringen, dass sie dich brauchen , hatte Joseph zu ihr gesagt. Betrachte es als eine Art Liebeswerben. Am höchsten schätzen sie, was sie nicht bekommen können.
    Helga hatte eine überirdische Fassung gewonnen. Die Zeit der Schmierenkomödiantin war vorbei. Jetzt war sie in eine Phase eiskalter Distanziertheit eingetreten, die Charlie instinktiv begriff, denn das war etwas, wozu sie auch in der Lage war.
    »So. Sie haben den Wagen nach Österreich gefahren. Und dann?«
    »Ich hab’ ihn abgestellt, wo er es mir gesagt hatte, dann trafen wir uns und fuhren nach Salzburg.«
    »Wie?«
    »Flugzeug und Auto.« »Und? In Salzburg?« »Gingen wir in ein Hotel.« »Wie hieß das Hotel, bitte?« »Weiß ich nicht mehr. Ist mir nicht aufgefallen.« »Dann beschreiben Sie es.«
    »Es war alt und groß und lag an einem Fluss. Und schön war es«, setzte sie noch hinzu.
    »Und Sie haben miteinander geschlafen, er war potent und hatte viele Orgasmen, wie immer.«
    »Wir haben einen Spaziergang gemacht.«
    »Und nach dem Spaziergang haben Sie miteinander geschlafen. Seien Sie doch bitte nicht albern.«
    Und wieder ließ Charlie sie warten. »Das hatten wir zwar vor, aber nachdem wir erst mal zu Abend gegessen hatten, bin ich einfach eingeschlafen. Ich war nach der Fahrt völlig erschöpft. Er hat ein paar Mal versucht, mich zu wecken, es dann jedoch aufgegeben.
    Und als ich morgens aufwachte, war er bereits angezogen.«
    »Und dann sind Sie mit ihm nach München gefahren - ja?«
    »Nein.«
    »Ja, was haben Sie denn gemacht?«
    »Die Nachmittagsmaschine nach London genommen.«
    »Was für ein Auto hatte er?«
    »Einen Mietwagen.«
    »Welche Marke?«
    Sie gab vor, sich nicht mehr zu

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