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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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weißes, bis zu den Ellbogen aufgekrempeltes Hemd -Baumwolle, keine Seide. Sie starrte es an - war sich endlich bewusst, was sie empfand. Keine Manschettenknöpfe. Kein Amulett um den Hals. Keine Gucci-Schuhe. »Du bist also ganz du selbst«, sagte sie. Er wusste nicht, was sie damit meinte.
    »Du kannst den roten Blazer jetzt also vergessen, oder? Du bist du und niemand sonst. Du hast deinen eigenen Doppelgänger umgebracht. Keiner mehr da, hinter dem du dich verstecken könntest.« Sie machte die Handtasche auf und reichte ihm ihren kleinen Radiowecker. Er nahm das Gerät, das ursprünglich ihr gehört hatte, vom Tisch und steckte es ihr in die Handtasche. »Oh ja, weiß Gott«, sagte er lachend und machte ihre Handtasche zu. »Von jetzt an, meine ich, werden wir in unserer Beziehung auf jeden Mittelsmann verzichten können.«
    »Wie hat es sich angehört?« fragte Charlie und setzte sich. »Ich fand, es war die beste Leistung seit Sarah Bernhardt.« »Noch besser. Laut Marty war es das Tollste, seit Moses vom Berg Sinai heruntergekommen ist. Vielleicht sogar, bevor er hinaufgestiegen ist. Wenn du wolltest, könntest du jetzt in Ehren aufhören. Sie verdanken dir genug. Mehr als genug.«
    Sie , dachte sie. Niemals wir . »Und nach Josephs Ansicht?«
    »Das sind große Leute, Charlie. Große kleine Leute aus dem Zentrum. Die große Sache.«
    »Habe ich sie hinters Licht geführt?«
    Er trat zu ihr und setzte sich neben sie. Um nahe zu sein, nicht, um sie zu berühren. »Da du noch lebst, müssen wir davon ausgehen, dass du sie bis jetzt hinters Licht geführt hast, Charlie«, sagte er.
    »Fangen wir an«, sagte sie. Ein raffiniertes kleines Bandgerät lag auf dem Tisch bereit. Sie griff an ihm vorüber und drehte es an. Ohne weitere Vorreden, wie ein altes Ehepaar, das sie jetzt waren, gingen sie zur Einsatzbesprechung über. Denn obwohl Litvaks Funkwagen jedes Wort der Unterhaltung von gestern Nacht aufgefangen hatte, das von dem raffiniert frisierten Radiowecker in Charlies Handtasche gesendet worden war -das pure Gold ihrer eigenen Beobachtungen musste noch ausgegraben und gesiebt werden.

Kapitel 18

    Der wendige junge Mann, der bei der Israelischen Botschaft in London vorsprach, trug einen langen Ledermantel, eine Großmutterbrille und sagte, er heiße Meadows. Der Wagen war ein blitzblanker grüner Rover mit Schnellgang. Kurtz saß vorn, um Meadows Gesellschaft zu leisten. Litvak schmorte auf dem Rücksitz. Kurtz gab sich schüchtern und ein bisschen ärmlich, wie es sich in Gegenwart kolonialer Vorgesetzter geziemte. »Gerade eingeflogen, nicht wahr, Sir?« erkundigte sich Meadows hochtrabend.
    »Gerade erst gestern«, sagte Kurtz, der seit einer Woche in London war.
    »Schade, dass Sie es uns nicht haben wissen lassen, Sir. Der Commander hätte Ihnen am Flughafen ein bisschen die Wege ebnen können.«
    »Ach, soviel hatten wir gar nicht zu deklarieren, Mr. Meadows!« winkte Kurtz ab, und beide lachten, weil die Beziehungen zwischen den Diensten so gut waren. Auch Litvak auf dem Rücksitz lachte, freilich weniger überzeugt.
    In schneller Fahrt ging es bis nach Aylesbury, dann schnell weiter durch hübsche kleine Straßen. Sie erreichten eine Toreinfahrt aus Sandstein, die von versteinert dastehenden, schneidigen jungen Männern bewacht wurde. Ein blau-rotes Schild trug die Aufschrift »No. 3 TSLU«, und ein weißer Schlagbaum versperrte die Zufahrt. Meadows überließ Kurtz und Litvak sich selbst und betrat das Pförtnerhäuschen. Dunkle Augen hinter den Fenstern musterten sie. Es fuhren keine Autos vorüber, man hörte keinen fernen Trecker rattern. Ringsum schien kaum etwas lebendig zu sein. »Scheint ein hochherrschaftliches Anwesen zu sein«, sagte Kurtz auf hebräisch, während sie warteten.
    »Wunderschön«, stimmte Litvak fürs Mikrofon bestimmt hinzu; für den Fall, dass eines angebracht war. »Und so nette Leute.«
    »Erstklassig«, sagte Kurtz. »Spitze im Gewerbe, keine Frage.«
    Meadows kehrte zurück, der Schlagbaum ging in die Höhe, und dann kurvten sie eine erstaunlich lange Zeit durch die beklemmende Parklandschaft des paramilitärischen England. Anstelle friedlich grasender Vollblüter blau-uniformierte Wachen mit langschäftigen Stulpenstiefeln. Fensterlose, niedrige Backsteingebäude verschwanden halb im Boden. Sie fuhren an einem Geländeübungsplatz und an einer mit orangefarbenen Kegeln markierten Privatlandebahn vorüber. Seilhängebrücken führten über einen Forellenbach.
    »Ein

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