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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Reihe war, schien Captain Malcolm seinen Namen nicht ganz mitzubekommen. »Wie noch gleich, altes Haus?« sagte er.
    »Levene«, wiederholte Litvak nicht ganz so leise. »Ich habe das Vergnügen, mit Mr. Raphael hier zusammenzuarbeiten.« Ein langer Tisch war für eine Besprechung vorbereitet worden. Nirgends Bilder - kein gerahmtes Foto seiner Frau, nicht einmal das der Königin in Kodachrom. Die Schiebefenster gingen auf einen leeren Hof hinaus. Das einzig Überraschende war der hartnäckig sich haltende Geruch nach warmem Öl, als ob gerade ein U-Boot vorübergefahren wäre.
    »Nun, warum schießen Sie nicht einfach los, Mr.« - die Pause war wirklich viel zu lang - »Raphael, nicht wahr?« sagte Picton. Dieser Satz passte zumindest auf wunderliche Weise. Als Kurtz seine Aktenmappe aufmachte und sich anschickte, die Unterlagen auszuteilen, bebte der Raum unter der lang anhaltenden Erschütterung, die von einer kontrollierten Sprengstoffdetonation ausging.. »Hab’ mal einen Raphael gekannt«, sagte Picton, als er den Deckel seines Dossiers aufschlug und einen ersten Blick wie auf eine Speisekarte hineinwarf. »Wir haben ihn für eine Zeitlang zum Bürgermeister gemacht. Junger Bursche noch. Weiß aber nicht mehr, in welcher Stadt. Waren aber nicht Sie, oder?«
    Mit einem traurigen Lächeln gab Kurtz bedauernd zu verstehen, nicht dieser Glückspilz gewesen zu sein. »Auch kein Verwandter? Raphael - wie dieser Maler?« Picton blätterte ein paar Seiten um. »Aber man kann ja nie wissen, nicht wahr?«
    Die Geduld, mit der Kurtz vorging, hatte etwas Überirdisches. Nicht einmal Litvak, der ihn schon in hunderterlei unterschiedlichen Nuancen seiner Identität erlebt hatte, hätte voraussehen können, wie heiligmäßig er seinen Dämonen einen Maulkorb anzulegen verstand. Seine auftrumpfende Energie war vollständig verschwunden und durch das servile Lächeln des Getretenen ersetzt worden. Selbst seine Stimme hatte - zumindest zu Anfang - etwas Schüchternes und Verzeihungheischendes.
    »Mester bine «, las der Chief Inspector laut vor. »Ist das so richtig ausgesprochen?«
    Captain Malcolm, begierig darauf, mit seinen Sprachkenntnissen zu glänzen, fing die Frage ab. »Mester bine ist richtig, Jack.«
    »Einzelheiten zu seiner Person in der linken Tasche, meine Herren«, sagte Kurtz nachsichtig und hielt inne, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich noch ein wenig länger mit ihren Dossiers zu beschäftigen. »Commander, wir brauchen unbedingt von Ihnen die formale Garantie hinsichtlich Verwertung und Weitergabe.« Langsam hob Picton den blonden Kopf. »Schriftlich?« fragte er. Kurtz schenkte ihm ein flehentliches Lächeln. »Das Wort eines britischen Offiziers genügt Misha Gavron bestimmt«, sagte er immer noch abwartend.
    »Also einverstanden«, sagte Picton mit einem unmissverständlichen Aufwallen von Zorn, und Kurtz wandte sich rasch der weniger strittigen Person von Anton Mesterbein zu.
    »Der Vater ein konservativer, wohlhabender Schweizer mit einer schönen Villa am See, Commander; irgendwelche Interessen außer Geldverdienen nicht bekannt. Die Mutter eine freidenkerische Dame der radikalen Linken, die das halbe Jahr in Paris verbringt und dort einen bei der arabischen Gemeinde sehr beliebten Salon unterhält...«
    »Klingelt was bei Ihnen, Malcolm?« fragte Picton. »Ganz, ganz leise, Sir.«
    »Der junge Anton, der Sohn, ist ein geschickter Anwalt«, fuhr Kurtz fort. »Hat in Paris Politische Wissenschaften studiert, in Berlin Philosophie und war auch ein Jahr in Berkeley: Jura und Politik. Ein Semester in Rom, vier Jahre in Zürich, Abschluss mit magna cum lande.«
    »Intellektueller also«, sagte Picton. Er hätte genauso gut ›Aussätziger‹ sagen können.
    Kurtz bestätigte die Beschreibung als zutreffend. »Politisch, meinen wir, tendiert Mr. Mesterbein eher zur Mutter - finanziell hält er es mit dem Vater.«
    Picton ließ das volltönende Lachen eines humorlosen Mannes vernehmen. Kurtz wartete lange genug, um den Witz mit ihm zu genießen.
    »Die vor Ihnen liegende Aufnahme wurde in Paris gemacht. Seine Anwaltskanzlei unterhält Mr. Mesterbein jedoch in Genf, sehr tüchtig, Innenstadt, vor allem für radikale Studenten, Leute aus der Dritten Welt und Gastarbeiter. Eine ganze Reihe von progressiven Organisationen ohne viel Geld gehört gleichfalls zu seiner Clientèle.« Er drehte ein Blatt um, lud seine Zuhörer ein, mit ihm Schritt zu halten. Auf der Nasenspitze trug er eine dicke Brille, die ihm

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