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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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stößt, dessen Aussehen ihm nicht gefällt. Zwanzig Zentimeter tiefer hüpfte fröhlich Kurtz neben ihm her. Aus der Ferne hätte man meinen können, es handelte sich um einen Gefangenen und seinen Bewacher, wenn auch nicht ganz klar wurde, wer nun was war. Ein Stück hinter ihnen trottete Litvak, der beide Aktentaschen trug, und hinter Litvak Mrs. O’Flaherty, Pictons legendäre Schäferhündin. »Mr. Levene hört gern zu, nicht wahr?« Picton platzte so laut mit dieser Frage heraus, dass Litvak sie hören musste. »Guter Zuhörer, gutes Gedächtnis? So was gefällt mir.«
    »Mike ist sehr diskret, Commander«, sagte Kurtz und lächelte pflichtschuldig. »Mike kennt sich überall aus.« »Scheint mir ein ziemlich miesepetriger Bursche zu sein. Der Chief Commander wünscht ein Gespräch unter vier Augen, wenn Sie damit einverstanden sind.«
    Kurtz drehte sich um und sagte etwas auf hebräisch zu Litvak. Litvak fiel zurück, bis er außer Hörweite war. Und es war schon etwas Merkwürdiges, das weder Kurtz noch Picton hätten richtig erklären können, selbst wenn sie es sich eingestanden hätten - dass sich nämlich ein unbestimmbares Gefühl von Kameradschaft zwischen ihnen entwickelte, sobald sie allein waren. Der Nachmittag war grau und böig. Picton hatte Kurtz einen Dufflecoat geliehen, in dem er wie ein Seebär aussah. Picton selbst hatte eine kurze Offiziersjoppe an, und seine Gesichtsfarbe hatte sich in der frischen Luft sofort vertieft.
    »Wirklich sehr anständig von Ihnen, den weiten Weg zu machen, bloß um uns ein Licht über sie aufzustecken«, sagte Picton, es war wie eine Herausforderung. »Mein Chef wird dem alten Misha ein paar Zeilen schreiben - der Teufel.«
    »Das wird Misha bestimmt zu würdigen wissen«, sagte Kurtz, ohne sich zu erkundigen, welchen Teufel Picton meinte. »Trotzdem eigentlich komisch. Dass ihr uns Tips gebt, was unsre eigenen Terroristen betrifft. Zu meiner Zeit ging es eher andersherum.«
    Kurtz sagte etwas Beschwichtigendes über das Rad der Geschichte, doch Picton war kein Poet.
    »Eure Operation, versteht sich«, sagte Picton. »Eure Quellen, eure Warnung. Mein Chief bleibt da hart. Unsere Aufgabe ist es, auf unserem Hintern sitzen zu bleiben und zu tun, was man uns, verdammt noch mal, sagt«, fügte er mit einem Seitenblick hinzu. Kurtz meinte, heutzutage sei Zusammenarbeit das A und O des Geschäfts, und für einen Moment sah Picton aus, als würde er in die Luft gehen. Seine gelben Augen weiteten sich, sein Kinn versank ruckartig im Hals und blieb dort. Statt in die Luft zu gehen, vielleicht aber auch, um sich zu beruhigen, zündete er sich eine Zigarette an, kehrte dem Wind dabei den Rücken zu und wölbte seine großen Catcher-Pranken schützend um das Flämmchen. »Inzwischen, es wird Sie sicher überraschen, sind Ihre Informationen alle bestätigt worden«, sagte Picton mit unüberbietbarem Sarkasmus, als er das Zündholz fortschnippte. »Berger und Mesterbein flogen Paris - Exeter und zurück, nahmen sich bei ihrer Ankunft in Exeter einen Leihwagen von Hertz und haben sechshundertfünfundsiebzig Kilometer runtergerissen. Mesterbein hat mit einer American Express-Kreditkarte, die auf seinen Namen ausgestellt war, bezahlt. Weiß zwar nicht, wo sie die Nacht verbracht haben, aber darüber werden Sie uns ja zweifellos zu gegebener Zeit unterrichten.«
    Kurtz schwieg tugendhaft.
    »Was nun die Dame betrifft«, fuhr Picton mit derselben gequälten Sorglosigkeit fort, »werden Sie sicher ebenso überrascht sein, dass sie im Augenblick im tiefsten Cornwall Theater spielt. Und zwar bei einem Tournee-Theater, das klassische Stücke spielt und sich den Namen ›The Heretics‹ zugelegt hat, was mir gefällt; doch das wissen Sie ja sicher auch nicht, oder? Von ihrem Hotel haben wir erfahren, dass ein Herr, auf den die Beschreibung Mesterbeins zutrifft, sie nach der Vorstellung abgeholt hat und sie erst am Morgen wieder nach Hause gekommen ist. Scheint ein richtig kleines Betthupferl zu sein, nach allem, was man hört, Ihre Dame.« Er gestattete sich eine gewichtige Pause, die Kurtz nicht zur Kenntnis zu nehmen vorgab. »Ich soll Ihnen nun mitteilen, dass mein Chief ein Offizier und ein Gentleman ist und Ihnen jede nur denkbare Hilfe zuteil werden lassen wird. Er ist dankbar, mein Chief, wirklich. Dankbar und gerührt. Er hat eine Schwäche für Juden, und er findet es ganz reizend von Ihnen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, herüberzukommen und uns auf ihre Spur zu

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