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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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setzen.« Er warf Kurtz einen feindseligen Seitenblick zu. »Mein Chief ist jung, verstehen Sie. Er ist -abgesehen von einigen Zwischenfällen - ein großer Bewunderer Ihres jungen Landes und nicht geneigt, gewissen hässlichen Verdachtsmomenten Gehör zu schenken, die ich vielleicht äußern könnte.«
    Picton blieb vor einem großen grünen Schuppen stehen und hämmerte mit seinem Spazierstock gegen die Eisentür. Ein junger Mann in Laufschuhen und Trainingsanzug ließ sie in eine leere Turnhalle herein. »Samstag«, sagte Picton, offenbar um zu erklären, warum es hier so verlassen wirkte, und schickte sich selbst auf eine wütende Ortsbesichtigung, musterte mal den Zustand der Umkleideräume, fuhr mal mit einem gewaltigen Finger über den Holm eines Barren, um zu sehen, ob auch kein Staub darauf läge. »Wie ich höre, habt ihr die Lager wieder bombardiert«, sagte Picton vorwurfsvoll. »Das geht auf Mishas Kappe, oder? Misha hat noch nie was fürs Rapier übriggehabt, wenn’s auch mit ‘ner dicken Kanone ging.«
    Kurtz setzte dazu an, ihm ganz aufrichtig zu erklären, dass der Prozess der Entscheidungsfindung in den oberen Rängen der israelischen Gesellschaft von jeher etwas höchst Geheimnisvolles für ihn gewesen sei; doch Picton hatte keine Zeit für derartige Erklärungen.
    »Jedenfalls wird er damit nicht durchkommen. Bestellen Sie ihm das von mir. Diese Palästinenser werden euch von nun an nicht mehr in Ruhe lassen.«
    Diesmal lächelte Kurtz nur und schüttelte den Kopf über den Lauf der Dinge.
    »Misha Gavron war bei der Haganah, nicht wahr?« fragte Picton nur so aus Neugier. »Bei der Irgun«, berichtigte ihn Kurtz. »Und wo waren Sie damals?« fragte Picton.
    Kurtz kehrte das schüchterne Bedauern des Verlierers hervor. »Ob nun zum Glück oder nicht, Commander - wir Raphaels sind zu spät nach Israel gekommen, um den Briten irgendwelche Unannehmlichkeiten zu bereiten«, sagte er. »Nehmen Sie mich nicht auf den Arm?« sagte Picton. » Ich weiß, wo Misha sich seine Freunde herholt. Ich hab’ ihm schließlich seinen verdammten Job gegeben.«
    »Das hat er mir erzählt, Commander«, sagte Kurtz mit seinem wasserdichten Lächeln.
    Der sportliche junge Mann hielt ihnen eine Tür auf, und sie gingen hindurch. In einem langen Schaukasten aus Glas lag eine Auswahl von selbst gebastelten Waffen zum lautlosen Töten: ein keulenähnlicher Schlagstock, dessen Kopf mit Nägeln gespickt war, eine völlig verrostete Hutnadel, die einen hölzernen Griff
    bekommen hatte, selbst gemachte Spritzen und eine improvisierte Garrotte.
    »Die Bezeichnungen verblassen«, schnauzte Picton den jungen Mann an, nachdem er die Mordinstrumente einen Augenblick wehmütig betrachtet hatte. »Neue Schildchen bis Montag früh zehn Uhr, sonst bekommen Sie es mit mir zu tun!« Er trat wieder hinaus in die frische Luft; Kurtz trottete vergnügt neben ihm her. Mrs. O’Flaherty, die draußen auf sie gewartet hatte, schloss sich ihrem Herrn wieder an.
    »Na schön, was wollen Sie?« sagte Picton wie jemand, der gegen seinen Willen gedrängt wird, sich zu einigen. »Machen Sie mir nicht weis, dass Sie hierher gekommen sind, um mir einen Liebesbrief von meinem alten Kumpel Misha, der Krähe, zu überbringen; das nehm’ ich Ihnen nämlich nicht ab. Ich weiß sowieso nicht, ob ich Ihnen glauben soll. Wenn’s um euch geht, bin ich ohnehin schwer zu überzeugen.«
    Kurtz schmunzelte und schüttelte anerkennend den Kopf über Pictons englischen Witz.
    »Nun, Sir, Misha, die Krähe, findet, dass eine Verhaftung in diesem Fall einfach nicht in Frage kommt. Natürlich nur wegen der heiklen Quellen«, erklärte er im Ton dessen, der nur etwas übermittelt.
    »Ich dachte, Ihre Quellen wären ganz einfach gute Freunde«, warf Picton boshaft ein. »Und selbst wenn Misha einer förmlichen Verhaftung zustimmen würde«, fuhr Kurtz immer noch schmunzelnd fort, »fragt er sich doch, welche Anklagen vor welchem Gericht gegen die Dame vorgebracht werden könnten. Wer will beweisen, dass der Sprengstoff im Wagen war, als sie ihn fuhr? Sie wird behaupten, man habe ihn erst hinterher hineingepackt. Bliebe uns meines Erachtens nur die ziemlich unerhebliche Anklage, einen Wagen mit falschen Papieren durch Jugoslawien gefahren zu haben. Und wo sind diese Papiere? Wer will beweisen, dass es sie je gegeben hat? Das ist alles sehr fadenscheinig.«
    »Sehr«, pflichtete Picton ihm bei. »Ist Misha denn auf seine alten Tage unter die Anwälte gegangen?« wollte

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