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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Dort saß sie mit den Total-Verrückten zusammen, von denen die meisten bereits völlig stoned waren, wenn sie dorthin kamen. Trotzdem stand sie es durch und erschreckte sowohl sich selbst als auch die Leute dort mit einer wirklich wütenden Brandrede gegen den Zionismus in all seinen faschistischen und völkermordenden Ausprägungen, die bei Vertretern der radikalen jüdischen Linken, und darüber amüsierte sich ein anderer Teil von ihr insgeheim, nervös vorwurfsvolle Reaktionen hervorrief.
    Ein andermal setzte sie Quilley mit Spektakel wegen künftiger Rollen zu - was sei denn eigentlich mit den Probeaufnahmen für den Film geworden? Verdammt noch mal, Ned, ich brauche Arbeit! In Wahrheit war es jedoch so, dass ihre Begeisterung für die Kunstbühne ziemlich nachließ. Sie hatte sich ganz dem Theater der Wirklichkeit verschrieben, solange es dauerte und trotz der immer größeren Risiken.
    Dann begannen die Warnungen, wie das Heulen und Knarren in der Takelage, das auf hoher See einen Sturm ankündigt.
    Die erste Warnung erreichte sie ausgerechnet über den armen Ned Quilley: er rief sie viel früher am Tage, als es seine Gewohnheit war, an und wollte angeblich einen Anruf von ihr erwidern, den sie am Tag zuvor gemacht hatte. Aber sie wusste sofort, das war etwas, was Marjory ihm aufgetragen hatte, gleich zu erledigen, wenn er ins Büro kam - ehe er es vergaß, sich nicht mehr traute oder sich einen Mutmacher genehmigte. Nein, er habe nichts für sie, wolle jedoch ihren Lunch für heute absagen, sagte Quilley. Kein Problem, erwiderte sie tapfer bemüht, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen; denn dieser Lunch hatte etwas Besonderes sein sollen, bei dem sie den Abschluss ihrer Tournee feiern und sich darüber hatten unterhalten wollen, was sie als nächstes machen könne. Sie hatte sich ausgesprochen darauf gefreut, hatte gemeint, sich so etwas ruhig einmal gönnen zu können.
    »Ist schon in Ordnung«, sagte sie nochmals und wartete darauf, dass er nun mit seiner Entschuldigung herausrücken würde. Statt dessen drehte er den Spieß um und machte den ungeschickten Versuch, verletzend zu sein.
    »Ich halte das im Augenblick einfach nicht für angebracht«, sagte er arrogant.
    »Ned, was ist los? Wir sind schließlich nicht in der Fastenzeit. Was für eine Laus ist dir denn über die Leber gekrochen?« Ihre aufgesetzte Unbeschwertheit, mit der sie es ihm hatte leichter machen wollen, stachelte ihn jedoch womöglich nur dazu auf, noch hochtrabender zu werden.
    »Charlie, ich weiß nicht, was du dir eigentlich dabei gedacht hast«, begann er sehr von oben herab. »Ich bin ja selbst mal jung gewesen und keineswegs so stockkonservativ, wie du vielleicht meinst, aber wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was mir so zugeflüstert wird - ich weiß nicht, aber dann wäre es vielleicht für uns beide besser…« Aber da er ihr bezaubernder Ned war, brachte er es einfach nicht fertig, ihr den Todesstoß zu versetzen, und so sagte er nur: »Lass uns unsere Verabredung verschieben, bis du wieder zur Vernunft gekommen bist.« An diesem Punkt hatte er nach Marjorys Drehbuch offensichtlich auflegen sollen, was ihm freilich erst nach mehreren Anläufen und einiger Hilfe von Charlie gelang. Sie rief augenblicklich zurück und bekam Mrs. Ellis an die Strippe, und genau das hatte sie gewollt.
    »Was ist denn bloß los, Pheeb? Riech’ ich denn plötzlich aus dem Mund?«
    »Ach, Charlie, was hast du dir denn nur dabei gedacht?« fragte Mrs. Ellis und sprach sehr leise aus Angst, ihr Telefon könnte angezapft sein. »Die Polizei war den ganzen Vormittag lang hier, deinetwegen, drei Mann hoch, und keiner von uns darf darüber reden.« »Na, die können mich mal!« sagte sie unverdrossen.
    Eine ihrer routinemäßigen Überprüfungen, sagte sie sich. Die Schnüffler mit ihren genagelten Stiefeln, denen es darum ging, Charlies Dossier bis Weihnachten auf den neuesten Stand zu bringen. Das hatten sie schon des öfteren gemacht, und zwar seitdem sie angefangen hatte, die Wochenendseminare zu besuchen. Nur schien es sich diesmal freilich keineswegs um Routine zu handeln. Aber einen ganzen Vormittag lang, und drei Mann hoch! Das sah ganz so aus, als ob es diesmal um einen großen Fisch ging.
    Dann ihr Friseur.
    Sie hatte sich für elf Uhr angemeldet und ging auch hin, ob ihr Lunch nun geplatzt war oder nicht. Die Besitzerin war eine weitherzige Italienerin namens Bibi. Stirnrunzelnd sah sie Charlie an, als diese eintrat, und sagte,

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