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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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seine Zuhörer hatten offensichtlich nicht die Absicht, ihn zu unterbrechen. »Aus den uns jetzt zur Verfügung stehenden Informationen geht eindeutig hervor, dass eine ihrer weniger akademisch ausgerichteten Gruppierungen in Ihnen einen gefährlichen Gemäßigten sieht, der imstande ist, den reinen Wein ihrer Sache zu verwässern. Genauso, wie Sie es mir eben gesagt haben, Herr Professor, nur noch schlimmer. Es wird behauptet, Sie träten für die Bantustan-Lösung des Palästinenser-Problems ein. Und seien ein trügerisches Licht, das die Schwachköpfigen unter ihnen verleiten könnte, sich zu einem weiteren verheerenden Zugeständnis den zionistischen Gewaltherrschern gegenüber bereit zu finden.«
    Freilich bedurfte es viel, viel mehr als einer bloßen Todesdrohung, um den Professor zu bewegen, sich mit einer unüberprüften Sachlage abzufinden.
    »Verzeihen Sie«, sagte er scharf, »aber das entspricht genau der Beschreibung, die nach meiner Rede in Beer Sheva in der palästinensischen Presse erschien.«
    »Und genau dorther haben wir sie, Herr Professor«, sagte Kurtz.

Kapitel 24

    Sie kam am späten Nachmittag mit dem Flugzeug in Zürich an. Sturmlichter säumten die Landebahn und leuchteten vor ihr auf wie der Pfad, der sie dem bewusst gewählten Ziel entgegenführte. Verzweifelt hatte sie versucht, ihre Gedanken zu sammeln, doch hatte sie das Gefühl, dass sie nur eine Zusammenballung ihrer alten Frustrationen waren, gereift und auf die heruntergekommene Welt gerichtet. Jetzt wußte sie einfach, dass nichts, aber auch gar nichts Gutes an ihr war; jetzt hatte sie mit eigenen Augen die Todesqualen gesehen , die der Preis für den westlichen Überfluss waren. Sie war die, die sie immer gewesen war: eine Ausgestoßene, die sich wütend wehrte; nur mit dem Unterschied, dass die Kalaschnikow ihre nutzlosen Koller ersetzt hatte. Die Sturmlichter schossen wie brennende Wrackteile an ihrem Fenster vorüber. Die Maschine setzte auf. Allerdings stand auf ihrem Ticket Amsterdam, und theoretisch würde sie erst später landen. Alleinreisende Mädchen , die aus dem Nahen Osten zurückkehren, sind verdächtig, hatte Tayeh ihr bei ihrer letzten Einsatzbesprechung in Beirut gesagt. Unsere erste Aufgabe ist es, Sie mit einer respektableren Herkunft auszustatten . Fatmeh, die gekommen war, um sie zum Flugplatz zu bringen, hatte es weniger allgemein ausgedrückt: » Khalil hat befohlen, dass du bei deiner Ankunft eine neue Identität annimmst. «
    Beim Betreten der völlig leeren Transithalle hatte sie das Gefühl, die erste Pionierin zu sein, die je ihren Fuß hierhersetzte. Musik vom Band lief ab, doch es war niemand da, der sie hörte. In einem eleganten Geschäft wurden Schokoladenbären und Käse feilgeboten, doch es war leer. Sie ging aufs Klo und unterzog ihr Aussehen einer eingehenden Musterung. Ihr Haar war zu einem Bubikopf geschnitten und undefinierbar braun gefärbt. Tayeh selbst war in der Beiruter Wohnung umhergehumpelt, als Fatmeh ihr Schlachtfest veranstaltet hatte. Kein Make-up, kein Sexappeal, hatte er befohlen. Sie trug ein schweres braunes Kostüm und eine leicht astigmatische Brille, durch die sie linste. Jetzt brauche ich nur noch einen Canotier und einen Blazer mit Wappen darauf, dachte sie. Sie hatte sich schon verdammt weit entfernt von Michels revolutionärer poule de luxe .
    Grüß Khalil herzlich von mir , hatte Fatmeh beim Abschiedskuss zu ihr gesagt. Am Nachbarwaschbecken stand Rachel, doch Charlie sah einfach durch sie hindurch. Sie mochte sie nicht und kannte sie auch nicht; und es war auch reiner Zufall, dass ihre offene Handtasche zwischen ihnen stand, ihr Päckchen Marlboros obendrauf, so, wie Joseph sie instruiert hatte. Und sie sah auch weder Rachels Hand, als sie die Marlboros gegen ein Päckchen ihrer eigenen austauschte, noch nahm sie im Spiegel ihr rasches aufmunterndes Zwinkern wahr.
    Ich habe nur dieses Leben und kein anderes. Ich liebe niemand außer Michel und bin niemand Treue schuldig außer dem großen Khalil.
    Setzen Sie sich so nah an die Tafel mit den Abflügen heran, wie Sie können , hatte Tayeh befohlen. Sie tat es und holte aus dem kleinen Koffer ein Buch über Alpenpflanzen, das so groß und dünn war wie ein College-Jahrbuch. Sie schlug es auf und legte es sich so auf den Schoß, dass man den Titel sehen konnte. Sie trug einen runden Button mit der Aufschrift: »Rettet die Wale«, und das sei das zweite Zeichen, hatte Tayeh gesagt; denn von jetzt an verlange Khalil, dass

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