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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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ihn?«
    »Jalal? Ja, ich glaube schon. Er hatte Goldzähne und ein Glasauge, das er immer dann herausnahm und mit seinem Hemd polierte, wenn ihm jemand nicht gefiel. Er erlaubte einem halben Dutzend von uns Straßenjungen, im hinteren Teil seines Ladens zu schlafen. Dafür haben wir ihm den Boden geschrubbt, das Essen gekocht und noch vieles andere mehr gemacht.« In ihrer Stimme lag die Wärme wahrer Zuneigung, und ihr Blick war für kurze Zeit auf einen tausend Meilen entfernten Ort gerichtet.
    Als Gair sie so sah, verspürte er einen seltsamen, schmerzhaften Stich in der Brust. »Ich weiß so wenig über dich«, sagte er.
    »Oh, ich glaube, du weißt inzwischen fast alles«, erwiderte sie leichthin und betonte dabei das Wort »weißt« gerade so sehr, dass er wieder seine eigene Unerfahrenheit verfluchte.
    Bei allen Heiligen, daran musste er sich erst noch gewöhnen. Sie war so sachlich bei dem, was sie insgeheim taten, und so offen, wenn sie es taten, dass es ihm den Atem raubte.
    Sie trat einen Schritt zurück, betrachtete sein Haar, das über dem Handtuch ausgebreitet lag, und vergewisserte sich, dass der Schnitt gerade war. Dann lächelte sie sein Spiegelbild an. »Na bitte. Schon viel besser.« Aysha faltete das Handtuch zusammen, schlug ihm damit gegen Brust und Rücken, um ihn von den Haarresten zu befreien, und warf es schließlich zu Boden. »Warte einen Augenblick hier. Ich muss noch etwas holen.«
    Mit diesen Worten humpelte sie ins Schlafzimmer. Gair nahm sein Hemd vom Haken an der Tür und zog es an.
    Ayshas privates Badezimmer ähnelte einer Grotte. Es war in den Farben der Tiefsee gekachelt, und der Boden war von einem sandigen Goldton. Es bedurfte keiner großen Anstrengung der Fantasie, sie sich in der tiefen Wanne vorzustellen. Der Duft ihres Badeöls, der in der Luft lag, beschleunigte seinen Puls.
    Als sie zurückkehrte, hatte sie eine blaue Samtbörse in der Hand und hielt sie ihm entgegen.
    »Was ist das?«
    »Dein Namenstagsgeschenk.« Sie lachte über seinen Gesichtsausdruck. »Sag mir nicht, dass du ihn vergessen hast.«
    »Im Mutterhaus wurden wir dazu ermuntert, nur die Tage der Heiligen im Gedächtnis zu behalten. Deswegen ist mir das Datum irgendwann entfallen. Woher weißt du es?«
    »Ich habe Alderan gefragt.«
    Er kippte den Inhalt des Beutels auf seine Handfläche. Es war ein silberner Gegenstand in Form eines übergroßen Rings, in den leahnische Knotenornamente eingraviert waren. In der Mitte verlief eine Inschrift auf Gimraeli aus spitzen Aufstrichen und häkchenförmigen Abstrichen mit Wellenlinien dazwischen.
    »Das ist ein Zirin. Er ist für dein Haar.«
    Sie zeigte ihm, wie das verborgene Schloss und die Feder darin funktionierten. Dann fasste sie seine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und legte den Zirin um sie.
    »Na also«, sagte sie und glättete seine Haare mit den Händen. »Das ist doch besser als ein altes Stück Kordel, oder?«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Danke.« Gair betastete das kühle Metall, während er sein Bild im Spiegel betrachtete. Der Zirin lag schwer in seinem Nacken, aber er schien fest zu sitzen. Er war schön und glänzte über dem Hemd. Gair wagte nicht, daran zu denken, wie viel er Aysha gekostet haben musste. Diese Art unaufdringlicher Eleganz war nie billig.
    »Was bedeutet die Inschrift?«
    »Ach, das ist nur ein Zitat aus einem Gedicht über die Wüste.«
    »Al-Jofar?«
    »Ishamar al-Dinn. Viertes Jahrhundert.«
    »Ich habe noch nie von ihm gehört.«
    »Er hat den Gedichtzyklus Rose von Abal-khor geschrieben und wurde dafür vom Hof verbannt; die Rückkehr wurde ihm bei Todesstrafe verboten.«
    »Waren die Gedichte so schlecht?«
    »Al-Dinn hat einige der schönsten Verse geschrieben, die ich je gelesen habe. Er ist einer meiner Lieblingsdichter.«
    »Warum also wurde er verbannt?«
    » Rose von Abal-khor war der Name der dritten Frau des Prinzen, und die Gedichte sind zutiefst erotisch.«
    Gair schloss die Hand um den Zirin und sah Aysha an.
    »Bitte sag mir, dass die Inschrift kein Zitat daraus ist!«
    »Entspann dich«, lachte sie. »Es ist nichts, was du nicht bei Tisch aufsagen könntest, das versichere ich dir.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, schlang ihm die Arme um den Hals und bot ihm ihre Lippen zum Kuss dar.
    »Es ist eine freudige Erinnerung, Gair«, sagte sie und berührte sein Gesicht. »Und jetzt solltest du von hier verschwinden, bevor ich der Versuchung nachgebe und deine Frisur wieder

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