Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
und in den Augen des Tieres lag eine große Wildheit.
Wo ist er? Ich habe überall nach ihm gesucht!
Ich weiß es nicht, Aysha , sagte Alderan zu ihr. Er muss irgendwo da draußen sein, aber ich habe keine Ahnung, wo er sich genau aufhält.
Aber ich kann ihn HÖREN !, jammerte sie. Hörst du ihn nicht auch?
Ihre Farben erfüllten seinen Geist, und ein verzweifeltes Heulen hallte in Alderans Kopf. Ayshas Farben zitterten. Er schloss sie sanft aus.
Hast du mit ihm gesprochen?
Er kann mich nicht hören.
Versuch es jetzt noch einmal. Wir müssen ihn nach Hause bringen .
Alderan sah zu, wie der Turmfalke still wurde. Er spürte, dass Aysha in die Nacht hinausfühlte, aber er konnte sie nicht hören. So hatte er sie noch nie gesehen, nicht in all den Jahren, die er sie schon kannte. Nie zuvor hatte er sie so angespannt und ihre Farben in einer so lebhaften roten Tönung wahrgenommen. Wie lange konnte sie das ertragen? Er schaute aus dem Fenster und suchte die Dunkelheit nach Zeichen dafür ab, dass Gair den Weg zurück gefunden hatte.
Es gibt keine Antwort . Ayshas Farben waren erstarrt.
Vielleicht ist er nur zu schwach, um zu antworten , sagte Alderan. Versuch es weiter .
Der Turmfalke hielt den Kopf schräg und brach den Kontakt mit Alderans Geist wieder ab. In gewisser Weise war Alderan dankbar dafür. Er hatte die Tiefe ihrer Qualen gespürt, als sie so hoffnungslos aufgeschrien hatte. Irgendetwas war da draußen geschehen, etwas unvorstellbar Schreckliches. Gair war nicht so schwach, dass ihm eine Verwandlung misslungen sein und er sich verirrt haben könnte, das wusste Alderan mit vollkommener Sicherheit, aber als die Minuten vergingen und noch immer nichts von Gair zu sehen war, beschlichen ihn allmählich Zweifel.
Er hatte nach Gair gesucht, als die Ratsversammlung zu Ende gewesen war, aber er hatte ihn weder in seinem Zimmer noch im Refektorium noch in der Bibliothek angetroffen. Darrin hatte ihn seit dem Frühstück nicht mehr gesehen, und auch sonst hatte seither niemand mehr mit ihm gesprochen. Mit wachsender Besorgnis hatte Alderan nach seinen Farben gesucht und nirgendwo auf Penglas ein Zeichen von ihm gefunden. Er hatte Kontakt zu den Wächtern auf den anderen bewohnten Inseln aufgenommen und ihnen das Muster des Leahners aus Smaragd und Bernstein gezeigt, aber einer nach dem anderen hatte ihm dasselbe mitgeteilt: Wo immer sich Gair befand, er war nicht auf den Westinseln.
Was ist das? Aysha befand sich wieder in Alderans Kopf. Ich glaube, ich habe draußen bei den Fünf Schwestern etwas gesehen.
Deine Augen sind schärfer als meine, kleine Schwester. Ich kann nichts erkennen.
Ich aber – das ist er, das muss er sein! Sie flatterte auf die Balustrade; ihr Geist streckte sich aus und zog sich sofort wieder zusammen.
Was ist los?
O gütige Göttin, er ist verletzt , flüsterte sie. Er kann die Gestalt kaum halten. Hilf ihm, Alderan!
Von hier aus kann ich nichts für ihn tun; das weißt du doch. Das könnte nicht einmal der Stärkste von uns. Er muss den Weg hierher allein zurücklegen. Wenn er das nicht schafft, müssen wir zu ihm hinausfahren.
Wenn er die Gestalt verliert, wird der Sturz ihn töten!
Er wird sie nicht verlieren, Aysha. Sei stark .
Sie fluchte, ihre Farben wirbelten aufgeregt, während Alderan in die Nacht hinausstarrte. Da war es, kaum mehr als ein Flackern in dem Silberstrahl seines Glimms. Er richtete den Blick darauf, konzentrierte sich und konnte schließlich einen Vogel erkennen.
Flieg, Aysha. Kehre in deine Gemächer zurück.
Aber ich will hier sein!
Nein , sagte Alderan zu ihr. Entferne dich. Ich werde dich rufen, wenn alles vorbei ist .
Sie wollte wieder etwas einwenden, aber er schnitt ihr das Wort ab und hasste sich selbst dafür. Dabei war es so das Beste. Widerstrebend hob sich der Turmfalke in die Luft und schoss hinaus in die Nacht.
Der Feueradler schwankte im Schein des Glimm-Lichts auf den Turm zu. Sein rotgoldenes Gefieder war vor Flecken beinahe schwarz, und der Flügelschlag war unregelmäßig, als ob alle Kraft auf ihm gewichen sei und er nur noch von seiner Willenskraft vorangetrieben würde. Er streifte beinahe die Baumwipfel vor den Mauern.
Halte durch, Gair .
Alderan verkleinerte den Glimm, damit mehr Platz in der Kammer war. Ein fremder Geist bohrte sich in den seinen und heulte auf. Der verletzte Vogel taumelte über die Balustrade und schlug, nichts als Blut und Federn, auf den Boden. Beinahe sofort schimmerte die Gestalt, da Gair der
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