Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Schwelle überschritt. Der Rest der Delegation folgte ihm auf den Fersen und stellte sich hinter ihm im Halbkreis auf. In ihren scharlachroten Zeremonialroben sahen sie aus wie Rotkehlchen.
Zweifellos wollen sie den größtmöglichen Eindruck auf den gebrechlichen alten Mann machen. Mir ist egal, was hier passiert .
»Also, meine Herren«, sagte Danilar, »was kann ich für Euch tun?«
»Wir sind hergekommen, um den Präzeptor zu sehen«, setzte Goran ohne Umschweife an. »Wir machen uns Sorgen über seinen Gesundheitszustand. Er ist schon seit einiger Zeit krank. Vielleicht sollte er einige seiner Verwaltungsaufgaben auf andere Personen übertragen und sich ganz seiner Genesung widmen. Wir haben ihn seit einem Monat nicht mehr in der Ratshalle gesehen.«
Jetzt kommen wir zur Sache . Danilar runzelte ganz leicht die Stirn. »Und jetzt wollt Ihr Euch vergewissern, dass er noch in der Lage ist, die Zügel der Macht in unserem Orden zu halten? Ich verstehe. Ich kann Euch versichern, dass der Präzeptor durch seine gegenwärtige Krankheit nicht an der Verwaltung dieses Hauses gehindert wird.«
»Danke, Kaplan, aber das würden wir gern mit eigenen Augen sehen.«
»Ihr hegt Zweifel daran?«
»Ja, wir hegen Zweifel!« Gorans Wangen wurden noch röter. »Seit fünf Wochen haben wir nichts von ihm gesehen – er könnte sogar schon im Grabe liegen.«
»Aber, Ältester, das ist eindeutig nicht der Fall. Ihr habt doch die Edikte gelesen, die er unterschrieben hat. Sie tragen alle sein Siegel und sind bezeugt, wie es dem Gesetz entspricht.« Danilar sprach in gleichmäßigem, sanftem Tonfall.
»Diese Edikte«, erklärte Goran und zog etliche Dokumente auf seinem Ärmel, »könnten von einem Kellner verfasst und vom Schoßaffen des Präzeptors unterschrieben worden sein. Wieso sollen sie beweisen, dass er noch im Vollbesitz seiner Kräfte ist?«
»Ah.« Danilar verschränkte die Arme vor der Brust. »Jetzt kommen wir zum Kern der Angelegenheit. Ihr sorgt Euch überhaupt nicht um seine Gesundheit, sondern nur um seinen Geisteszustand. Ihr wollt wissen, ob der Präzeptor noch alle Tassen im Schrank hat.«
Goran hüstelte verlegen. »So grob hätte ich es niemals ausgedrückt, Kaplan, aber er ist schließlich ein alter Mann.«
»So alt ist er nun auch wieder nicht«, warf Danilar ein. »Sein Verstand ist noch immer so scharf wie eh und je. Fragt seinen Sekretär, wenn Ihr mir nicht glaubt.«
»Wir wollen keine Aussagen aus zweiter Hand haben, Kaplan«, sagte eine neue Stimme. Ein schlanker, fuchsgesichtiger Dremenier bahnte sich einen Weg durch die Gruppe nach vorn. Er berührte Goran am Ellbogen, und der stämmige Älteste trat zurück zu den anderen.
»Ceinan«, sagte Danilar. Es ist keine Überraschung, dass du der wahre Anführer dieser Abordnung bist . »Wie freundlich von Euch, herzukommen und Eure guten Wünsche zu übermitteln.«
»Danilar«, sagte Ceinan beiläufig, »wie Ihr sehen könnt, planen wir keinen Aufstand. Wir sind in guter Absicht hier und wollen mit unseren Sorgen abschließen. Das ist alles. Wir haben nicht das Verlangen, den Rat einzuberufen und dazu anzustiften, Ansel abzuwählen.«
»Und was genau wollt Ihr hier?«
»Ihn sehen.« Ceinan spreizte die Finger. »Wir wollen uns nur vergewissern, dass alles in Ordnung und der Orden in guten Händen ist.«
»Ich fürchte, dazu müsst Ihr fürs Erste mit meinem Wort vorliebnehmen. Niemand darf zu dem Präzeptor vorgelassen werden, bis die Gefahr einer Ansteckung gebannt ist.«
Eine gewisse Verärgerung zeigte sich in Ceinans blassblauen Augen.
»Wie, Ansteckung?«, wiederholte Goran und machte große Augen.
»Ja, Ältester Goran«, sagte Danilar. »Schwarzlungenfieber ist höchst ansteckend.«
»Schwarzlungenfieber?« Alles Blut wich aus dem Gesicht des Ältesten.
»Allerdings. Wir wollen doch nicht, dass es sich im Rat ausbreitet, oder? Älteste, die ihm gruppenweise anheimfallen – das wäre eine Katastrophe.«
»Aber Ihr kommt und geht, wie es Euch beliebt, Danilar«, warf Ceinan ein.
»Ich hatte dieses Fieber schon einmal«, sagte er. Es erstaunte ihn, wie leicht es ihm fiel zu lügen, wenn ihn die Notwendigkeit dazu trieb. »Vor vielen Jahren, in der Wüste. Hengfors hat mir erklärt, dass niemand es sich zweimal zuziehen kann.«
Goran tastete nach einem Handtuch. »Seid Ihr sicher, dass der Präzeptor es hat?«
»Ich fürchte, die Symptome sind eindeutig. Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, dass es sich im Orden oder sogar
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