Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
ihm die Hände an die Schläfen legte. »Er beharrt darauf, dass Savin auf dem Weg hierher ist, um hier irgendetwas zu finden. Er hat etwas von einem Schlüssel gesagt.«
»Tanith, lass mich los«, flehte Gair.
Sie runzelte die Stirn und rief nach dem Sang. »Er sollte sich noch nicht erinnern. Es ist viel zu früh.«
»Nein, es ist zu spät. Hört mir doch bitte zu!«
Schon versank Gair wieder in Schwärze.
Das Labyrinth hatte sich verändert, davon war er überzeugt. Er hatte diese Biegung schon einmal umrundet – seine Fußabdrücke waren auf dem staubigen Weg deutlich sichtbar –, aber jetzt führte sie in eine Sackgasse. Quer über den Pfad wuchs eine undurchdringliche grüne Dornenhecke, die höher war als er selbst und lückenlos in die Hecken rechts und links von ihm überging. Gair fluchte enttäuscht und drehte sich um.
Der Weg hinter ihm führte zwischen den Hecken pfeilgerade in die Ferne. So weit war er doch gar nicht gegangen; er hatte höchstens zwanzig oder dreißig Schritte gemacht. Also veränderte sich das Labyrinth auch hinter ihm. Gütige Göttin, wie lange war er schon hier? Kein Schatten lag auf dem hellen, sandigen Boden und deutete die Tageszeit an, und wenn er aufschaute, sah er nicht die Sonne, sondern nur grüne Hecken und den wolkenlosen, sommerblassen Himmel. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als weiterzugehen, bis er einen Ausgang fand.
Zuerst hatte er versucht, die Biegungen, die er gemacht hatte, im Gedächtnis zu behalten, damit er auf demselben Weg zurückgehen konnte, wenn sich ein Pfad als falsch erwies, aber das war nun sinnlos geworden, da er begriffen hatte, dass sich das Labyrinth auch hinter ihm veränderte. Er würde nie den Platz finden, von dem aus er losgegangen war.
In dessen Mitte hatte eine Marmorstatue gestanden, eine Waldnymphe, die auf einer Flöte spielte und etwa drei Fuß hoch war. Ihr Sockel war von einer Kletterrose beinahe ganz überwuchert gewesen. Er wollte den Weg zurück dorthin finden, denn auf der anderen Seite des Platzes hatte es einen weiteren Durchgang gegeben, den er nun ausprobieren wollte. Dieser Weg hier führte ihn nur im Kreis herum.
Gair wandte sich nach links, dann noch einmal nach links, und der Pfad mündete im Kreis in sich selbst. Gair drehte sich um, folgte ihm fünfmal nach rechts und blieb stehen. Jetzt sollte er seinen eigenen Weg gekreuzt haben, aber er sah keine Abzweigungen, sondern nur einen staubigen Weg zwischen zwei parallelen, acht Fuß hohen Hecken. Er wandte sich um und ging auf dem Weg zurück. Dreimal bog er nach rechts ab und trat dann nach links auf einen kleinen offenen Platz, der einen Durchmesser von etwa fünf Schritten hatte. In der Mitte stand eine Statue auf einem Marmorsockel.
Er schritt darauf zu und konnte einfach nicht glauben, was er da sah. Es war eine flötenspielende Waldnymphe, aber die Kletterrose um den Sockel war verwelkt. Dunkelgrüner Efeu drängte sich durch die vertrockneten Zweige und wand sich um die Fußgelenke der Nymphe. Sie schaute auf ihre Füße herunter und hatten Augen und Mund vor Entsetzen aufgerissen.
Rasch suchte er die gegenüberliegende Hecke nach einem anderen Ausgang ab. Es gab nur die eine Lücke im Grün, durch die er hierhergekommen war. Er eilte wieder hinaus und fand einen kurzen Pfad, der in rechtem Winkel auf einen anderen stieß. Sollte er nach rechts oder nach links gehen? Fußabdrücke führten in beide Richtungen; sie halfen ihm gar nicht. Er entschied sich für links und folgte dem Weg, der zwei Biegungen nach links machte, und kam zurück zu dem freien Platz mit der Statue. Nun hatte der Efeu die Knie der Nymphe erreicht, und sie hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Gair rannte zurück zur letzten Abzweigung und wandte sich nach rechts. Nun führte der Pfad in gerader Linie in die Ferne, so weit Gairs Blick reichte. Gair schirmte die Augen gegen den Glanz der außer Sicht befindlichen Sonne ab, erkannte aber kein Anzeichen für eine Biegung oder Abzweigung. Er ging los und zählte seine Schritte. Einhundert. Zweihundert. Zweihundertfünfzig. Grüne Dornenhecken, acht Fuß hoch, verliefen endlos neben ihm. Gair drehte sich um, und hinter ihm lag der Platz.
Er fluchte. Nun hatte die Nymphe ihm das Gesicht zugewandt, und sie schrie. Die immer dicker werdenden Ranken des Efeus hatten ihr die Arme an den Körper gefesselt; Hüfte und Unterkörper waren vollkommen von den dunklen, ledrigen Blättern verborgen. Er warf einen Blick über die Schulter.
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