Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
abreißen.
Dann traf ihn die Übelkeit mit voller Wucht.
9
Gair öffnete die Augen. Er war wieder in seiner Koje. Jemand hatte ihm die nasse Kleidung ausgezogen und ihn abgetrocknet, aber er hatte einen schlechten Geschmack im Mund, und in seinem Kopf hämmerte es. Alderan saß in der Koje ihm gegenüber, mit dem Rücken gegen die Trennwand gelehnt. In seinem Schoß lag ein geöffnetes Buch. Heller Sonnenschein ergoss sich durch das Bullauge auf den Boden.
»Willkommen im Leben.« Der alte Mann legte das Buch beiseite. »Möchtest du etwas Wasser haben?«
»Gern. Was ist passiert?«
»Du hast dich übergeben, geradewegs auf Kapitän Dails Stiefel, und bist danach ohnmächtig geworden. Wir haben dich hier heruntergetragen, damit du dich etwas ausruhen kannst.«
»Ich habe das Gefühl, dass mir der Kopf auseinanderfällt.«
»Vielleicht ist es ein Trost für dich, wenn ich dir sage, dass es mit jedem Mal leichter wird.«
Gair setzte sich mühsam auf und nahm einen tiefen Schluck Wasser. Es schmeckte süß und vertrieb die Bitterkeit in seinem Mund. »Ich kenne die Magie nun schon seit vielen Jahren, aber so etwas habe ich noch nie gespürt«, sagte er nach einer Weile.
»Hat der Schwertmeister nie so hart mit dir gearbeitet, dass dir danach übel war? Das ist genau dasselbe. Es ist anstrengend, den Sang tief in dich einzusaugen, und in der letzten Nacht hast du so viel davon in dich aufgenommen, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Ich wünschte, ich hätte die Zeit gehabt, dich besser darauf vorzubereiten.«
»Ich glaube, ich werde es überleben. Wenn auch knapp.« Er rieb sich die Stirn. »Bei allen Heiligen, tut das weh . Hat es große Schäden gegeben?«
»Erstaunlich wenige. Der Mast wird gerade repariert, und dort, wo der Sturm auf das Vorderdeck getroffen ist, sind eine oder zwei Planken gesplittert, aber abgesehen davon hat das Schiff keine ernsthaften Schäden davongetragen. Brauchst du etwas für deinen Kopf?«
»Ja, bitte.«
»In der Sonne wird es noch schlimmer werden. Ich hole meine Tasche.«
Als der alte Mann die Kabine verließ, lehnte sich Gair gegen die Wand und versuchte sich zu entspannen. In der Nähe klapperte ermüdend eine Pumpe, und über ihm hämmerten und sägten die Schiffszimmerleute im Einklang mit dem Hämmern in seinem Kopf.
Alderan kehrte zurück und suchte in seiner ledernen Schultertasche herum. Schließlich holte er eine kleine Porzellanphiole hervor, zog den Korken heraus und roch daran. »Das ist es. Wieder einmal Athalin, wie ich fürchte, aber es hilft.«
Er schüttete sich ein wenig von dem weißen Pulver auf die Handfläche, nahm einige Fingerspitzen davon und warf sie in Gairs Becher, den er mit Wasser auffüllte. Den Rest des Pulvers füllte er in die kleine Flasche zurück und verstaute sie wieder.
»Trink es aus. Wenn du dich gewaschen und angezogen hast, wirst du dich schon besser fühlen.«
Gair schluckte das bittere Getränk herunter und zog eine Grimasse wegen des körnigen Gefühls, das es an den Zähnen hinterließ. »Ihr habt gesagt, dass das kein natürlicher Sturm war. Woher wusstet Ihr das?«
»Dail ist ein erfahrener Seemann. Ich habe seinen Instinkten vertraut.«
»Das ist nicht der wahre Grund. Ihr habt mir auch nicht gesagt, dass Ihr etwas von Magie und vom Sang versteht.« Er schaute von seinem leeren Becher auf. »Ihr könnt ihn benutzen.«
»Stimmt, das habe ich dir nicht gesagt. Auch dafür muss ich mich bei dir entschuldigen. Aber ich hatte einfach nicht die Zeit, es dir zu erklären.«
»Wir reisen ja erst seit zwei Monaten gemeinsam. Das ist schließlich so gut wie gar nichts.«
Alderan lächelte dünn über diesen Vorwurf. »Also gut, mir schien die richtige Zeit dafür noch nicht gekommen zu sein.«
»Was habt Ihr mir sonst noch verschwiegen? Ihr seid nicht bloß ein einfacher Gelehrter, Alderan.«
Die mächtigen Brauen des alten Mannes zuckten vor Belustigung, während er seine Tasche in der gegenüberliegenden Koje abstellte. Er setzte sich daneben und legte die Hände auf die Knie, als wollte er sich auf etwas Unangenehmes vorbereiten. »Also gut, mein Junge«, sagte er. »Du hast mich erwischt. Was willst du wissen?«
»Alles.«
»Das könnte ein langes Gespräch werden, denn die Welt, in der wir leben, ist sehr groß. Fang erst einmal klein an.«
Wo sollte er anfangen? Gair hatte so viele Fragen. Wohin war der Sang seit jenem Tag auf der Landstraße verschwunden, und warum war er zurückgekommen, als Alderan
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