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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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sanft um die eigene Achse. Gair berührte den Sang und ließ die Kugel zuerst zu der Größe einer Honigmelone und dann zu der seines eigenen Kopfes anwachsen. In ihm wartete ein gewaltiges Potenzial darauf, sich seinem Willen unterzuordnen. Er spürte nichts von dem Wildwassertosen, vor dem er so große Angst hatte, obwohl ihm etwas sagte, dass es noch da war und in Erscheinung treten würde, wenn er es rief. Vorsichtig ließ er den Glimm schrumpfen, bis er nicht größer als ein Kieselstein war, und ließ ihn dann ganz verschwinden.
    An Deck ähnelte die Kielkätzchen einer Mischung aus Wäscherei und Holzlagerplatz. Die Habseligkeiten der Seeleute – alles von Hängematten bis zu Ersatzstrümpfen – hingen zum Trocknen in der Takelage, während der Zimmermann und seine Helfer einen Notmast aus Ersatzplanken zusammenfügten. Auf dem Vorderdeck stand ein Kessel mit kochendem Pech, das zwei Männer zum Teeren benutzten. See und Himmel strahlten in mittsommerlichem Blau, und wenige Schritte vor dem Bug schoss eine Schule von Delfinen dahin. Vom Sturm war nichts mehr zu sehen.
    Alderan stand mit Kapitän Dail an der Reling des Achterdecks. Als er Gair sah, winkte er ihn herüber.
    »Es tut mir leid wegen Eurer Stiefel«, sagte Gair verlegen.
    Dail lachte. »Mach dir deswegen keine Sorgen. Nach dem, was du in der letzten Nacht für uns getan hast, hat ein Paar Stiefel keine große Bedeutung mehr.«
    Gair errötete. »Das war hauptsächlich Alderans Werk.«
    »Keineswegs.« Der alte Mann legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.«
    Ein Matrose rannte herbei und neigte den Kopf vor Dail. »Beste Grüße vom Bootsmann, Herr. Er wird gleich die Glocke schlagen.«
    Dail nickte. »Verzeiht mir, aber ich werde unten gebraucht.« Mit diesen Worten schritt er auf die Hauptluke zu.
    Sah man vom Steuermann ab, hatten Gair und Alderan nun das Achterdeck für sich allein. »Kapitän Dail weiß, wer wir sind«, sagte Gair leise. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    Alderan lächelte. »Er fuhr schon auf der Handelsroute von den verschiedenen Häfen nach Penglas, als du noch nicht geboren warst, und in dieser Zeit hat er einige von uns kommen und gehen sehen. Er weiß, wozu wir in der Lage sind – genau wie einige seiner Männer, aber die meisten haben keine Ahnung davon. Wir halten es nicht streng geheim, aber wir reden auch nicht laut darüber. Es gibt Menschen, denen in unserer Gegenwart unbehaglich zumute ist, und einige von ihnen lassen sich von ihren Vorurteilen leiten. Eine einzige Anklage wegen Hexerei reicht für ein ganzes Leben.«
    Das war eine weitere Frage, und jetzt war die richtige Zeit, sie zu stellen: »Gibt es wirklich Hexen und Hexer, oder sind das alles nur Menschen wie Ihr und ich?«
    Der alte Mann holte tief Luft. Als er sprach, war seine Stimme so leise, dass sie nicht weit trug. »Es gibt sie. Einige werden so genannt, weil sie wie du sind. Sie besitzen die Macht und bemühen sich, sie zu kontrollieren. Aber die meisten sind nur alte Leutchen, die ihren Nachbarn herzlich egal sind und die andauernd vor sich hinmurmeln, auf Wanderschaft gehen oder zu viele Katzen halten.« Ein Lächeln erschien plötzlich auf seinem Gesicht, dünn wie die Klinge eines Mörders, und war genauso schnell wieder verschwunden. »Und einige sind richtige Zauberinnen und Zauberer und besitzen die Macht, den Schleier zwischen den Welten einzureißen.«
    »Können sie auch Dämonen beschwören, wie es in den Geschichten steht?«
    »Dämonen, Engel … es gibt kaum einen Unterschied zwischen ihnen, sobald sie hier sind. Alles, was aus dem Verborgenen Königreich kommt, stört das Gleichgewicht der Tagwelt, und dieses Gleichgewicht muss unter allen Umständen aufrechterhalten werden.« Alderan seufzte. »Aber es sind in der Tat hauptsächlich Dämonen. Die Ordnung ist weiß und kalt und emotionslos und wird nur von der Logik beherrscht. Das Chaos hingegen ist ungezügelte Leidenschaft, die sowohl schöpferische als auch zerstörerische Energien benutzt. Am meisten wird der Schleier durch Turbulenzen gespannt, und zu diesen Zeiten der Dehnung ist es möglich, ein Loch in das Gewebe zu stechen.«
    »Was passiert, wenn es ganz zerrissen wird?«
    Alderan zog eine Grimasse. »Einige haben Visionen von diesem Ereignis gehabt. Die meisten sind schreiend gestorben, wie zum Beispiel der heilige Ioan …«
    »… der eine Vision der Letzten Tage hatte und sich die Augen herausriss, damit er so

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