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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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führte mich in den Salon. »Sie fahren dann mit meiner Frau. Ich lege mich schlafen.«
    Wie alle unsere Partien war auch diese stürmisch. Die Comtesse konnte in ihrem Zimmer oder auch in dem Madeleines die Stimme ihres Mannes hören.
    »Sie verstoßen auffallend gegen die Regeln der Gastfreundschaft!«, sagte sie zum Comte, als sie wieder eintrat.
    Ich sah sie starr an. Ich konnte mich nicht an ihre Schroffheiten gewöhnen. Früher hätte sie sich gehütet, mich vor der Tyrannei des Comte zu schützen. Damals liebte sie es, mich ihre Leiden teilen und sie ihretwegen geduldig ertragen zu sehen.
    »Ich gäbe mein Leben«, flüsterte ich ihr ins Ohr, »Sie noch einmal leise sagen zu hören: ›Armer Liebling! Armer Liebling!‹«
    Sie sah zu Boden: sie erinnerte sich der Stunde. Sie sah zu mir hinüber, aber mit gesenktem Blick, und aus ihren Augen sprach die Freude der Frau, die erkennt, daß einem die flüchtigste Liebkosung von ihr höher steht als die tiefsten Wonnen einer andern Liebe. Und wie jedesmal, wenn ich gleiches Unrecht erlitt, verzieh ich ihr, weil ich mich verstanden fühlte.
    Der Comte verlor, er erklärte, daß er müde sei, um abbrechen zu können, und wir schlenderten zusammen um den Rasenplatz und warteten auf den Wagen. Endlich ließ er uns allein. Da brach eine so helle Freude aus meinen Zügen, daß mir die Comtesse einen fragenden, zugleich neugierigen und überraschenden Blick zuwarf.
    »Henriette existiert noch!« sagte ich. »Und sie liebt mich noch! Sie beleidigen mich in der offenkundigen Absicht, mir weh zu tun. Ich kann also noch glücklich sein!« – »Es war noch etwas von der Frau übriggeblieben«, antwortete sie erschrocken, »und auch das zerstören Sie in diesem Augenblick! Gott sei Lob! Er gibt mir Mut, mein verdientes Martyrium zu ertragen. Ja, ich liebe Sie noch zu sehr, ich war im Begriff, mich zu vergessen. Die Engländerin hat einen Abgrund in mir erhellt.«
    In diesem Augenblick stiegen wir in den Wagen; der Kutscher fragte, wohin er fahren sollte.
    »Durch die Avenue auf die Straße von Chinon; Sie fahren uns dann durch die Karlsheide und den Weg von Sache zurück.« – »Was für ein Tag ist heute?« fragte ich, plötzlich erregt. »Sonnabend.« – »Fahren wir anderswohin, Madame. Samstags wimmelt die Straße von Marktleuten, die nach Tours gehen, und wir würden von ihren Karren belästigt.« – »Tun Sie, was ich Ihnen sage!« rief sie dem Kutscher zu.
    Wir kannten jeder des andern geringste Veränderung zu gut, um uns unsere leiseste Erregung verbergen zu können. Henriette hatte verstanden.
    »Sie haben nicht an die Marktleute gedacht, als Sie diese Nacht wählten«, sagte sie mit einem leisen Anflug von Ironie. »Lady Dudley ist in Tours. Sie erwartet Sie hier in der Nähe, leugnen Sie nicht! ›Was für ein Tag ist heute? ...‹ , ›Marktleute‹, ›Karren‹, – früher, wenn wir zusammen ausgingen, haben Sie nie daran gedacht.« – »Das beweist, daß ich in Clochegourde alles vergesse«, sagte ich. »Sie erwartet Sie?« – »Ja.« – »Um wieviel Uhr?« – »Zwischen elf und zwölf.« – »Wo?« – »In der Heide.« – »Betrügen Sie mich nicht! Doch nicht etwa unter dem Nußbaum?« – »In der Heide!« – »Wir gehen hin«, sagte sie, »ich will sie sehen!«
    Als ich diese Worte hörte, betrachtete ich mein Leben als endgültig abgeschlossen. Ich beschloß im Augenblick, durch meine Vermählung mit Lady Dudley dem schmerzhaften Hinundherzerren ein Ende zu machen, das mein Gefühlsleben erschöpfte. Mein Schweigen beleidigte die Comtesse, deren ganze Größe ich noch nicht kannte.
    »Ärgern Sie sich nicht über mich, Lieber«, sagte sie mit ihrer goldhellen Stimme, »das ist meine Strafe! Sie werden nie mehr so geliebt werden, wie Sie hier geliebt wurden« – und sie legte die Hand aufs Herz –, »habe ich es Ihnen nicht gestanden? Die Marquise Dudley rettet mich. Ihr sollen die Unreinlichkeiten überlassen sein, ich beneide sie nicht darum; mir die glorreiche Liebe der Engel! Ich bin seit Ihrer Ankunft lange Wege gegangen, ich habe mir ein Urteil über das Leben gebildet. Je mehr Sie sich erhöhen, desto mehr müssen Sie leiden, desto weniger Mitgefühl finden Sie. Statt in der Tiefe zu leiden, leiden Sie in den Lüften, wie der hochstrebende Adler, der den Pfeil eines rohen Hirten im Herzen davonträgt. Ich verstehe jetzt, daß Himmel und Erde unversöhnliche Gegensätze sind. Ja, für den, der in den Höhen leben kann, gibt es nur noch

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