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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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dem Exerzierplatz schienen ihm keine Freude zu machen, und die harten Züchtigungen, für die ihn Bosco aussuchte, ließen ihn kalt. Den anderen Zöglingen flößte er zwar keine Angst ein, aber beliebt war er nicht. Keiner wurde aus ihm schlau, alle ließen ihn in Ruhe und das schien Cale, soweit man das überhaupt beurteilen konnte, gerade recht zu sein.
    »Ich gäbe was drum, wenn ich wüsste, was du denkst.« Mit diesen Worten meldete sich Kleist von der Rattenjagd zurück, die Beute baumelte am Strick, den er sich um die Hüften geschlungen hatte. Insgesamt waren es fünf Ratten. Er löste eine Schlinge, legte die schwanzlosen Tiere auf einen Stein und zog dem ersten das Fell ab.
    »Ich ziehe sie ab, ehe das Mädchen aufwacht«, sagte Kleist grinsend. »Ich glaube nicht, dass sie davon essen würde, wenn ich sie ihr mit Fell anbiete.«
    »Warum lässt du sie nicht in Ruhe?«
    »Du weißt doch, dass sie unser Leben in Gefahr bringt. Nicht dass wir eine große Chance hätten, heil davonzukommen. Dein Freund hat zwölf Stunden Zeit, in die Burg zurückzukehren oder...«
    »Oder was?«, unterbrach ihn Vague Henri. »Wenn du einen Plan hast, dann lass hören. Ich bin ganz Ohr.«
    Kleist verzog das Gesicht und begann mit dem Ausweiden der Ratten. »Wenn ich mich nicht auf den fetten Happen hier freuen könnte«, sagte er und deutete auf die Ratten, »hätte ich meinen Optimismus schon verloren, denn die Chancen stehen schlecht, ich meine die Chancen, Cale wiederzusehen.«

    Cale war aus dem Schilf am Seeufer herausgetreten und rund fünfhundert Schritte in den Tagebau gegangen. Seit fünfzehn Jahren kamen die Mönche hierher und bauten den schweren Lehmboden ab, der sich unter dem Laubdach der Oase bildete. Der Boden hier besaß eine geradezu magische Fruchtbarkeit. Ihm war es zu verdanken, dass die Gemüsebeete in der Ordensburg, mit dem Lehmboden gedüngt, genügend Ertrag für eine zehnmal größere Zöglingszahl brachten. Aber nur Cale wusste, dass dieser Boden noch eine weitere Eigenschaft besaß. Bei der Arbeit im Gemüsegarten, wo die Zöglinge immer unter der Bewachung von Mönchen mit Hunden standen für den Fall, dass ein Zögling lange Finger machte, hatte er bei einer kurzen Arbeitspause ein Stück »Eingeschlafene Füße« hervorgeholt, das er vorher auf dem Fußboden des Refektoriums aufgelesen hatte. Eine Geruchsprobe sagte ihm, dass dieses Stück nicht aus Versehen vom Tisch gefallen, sondern weggeworfen worden war, denn es roch ranzig und war nicht mehr zu genießen. Nicht weit von ihm döste ein Wachhund und sein Führer sah in eine andere Richtung. Cale warf ihm den ranzigen Fraß vor, nicht etwa aus Freundlichkeit, sondern mit dem Hintergedanken, der Hund werde es verschlingen und sich den Magen verderben, was dem Miststück ganz recht geschehe. Das Essen landete auf einem Häufchen Lehmdünger gleich neben dem Kopf des Hundes. Vom Geräusch aufgeschreckt, hob das Tier den Kopf. Doch obwohl etwas zu fressen fast unter seiner Nase lag – einer Nase, die Mückendreck auf tausend Schritte Entfernung roch – bemerkte es das Tier nicht. Stattdessen schaute es bloß Cale an, gähnte, kratzte sich und legte sich wieder schlafen. Als später Hund und Führer fort waren, hob Cale das Stück »Eingeschlafene Füße« noch einmal auf und roch daran. Es stank zum Himmel. Verdutzt nahm er eine Hand voll Lehm und bedeckte damit einen Bissen. Dann roch er erneut daran und stellte nur noch einen kräftigen torfartigen Erdgeruch fest. Irgendetwas in dem Lehm hatte den Gestank nicht nur überdeckt, sondern vollkommen zum Verschwinden gebracht, wenn auch nur für die Zeit, in der der Lehm den Bissen bedeckte.
    An den folgenden Tagen machte Cale im Garten verschiedene Experimente mit den Hunden und den mittlerweile verschimmelten Kuchenstücken. Nicht ein einziges Mal rochen die Hunde etwas. Am Ende ließ er es, vom Lehm säuberlich befreit, auf den gepflasterten Gartenweg fallen. Wenig später kam ein Hund, vom Gestank angezogen, und beschnüffelte den Speiserest. Bald darauf sah Cale zu seiner großen Befriedigung, wie das Tier alles wieder hervorwürgte.
    Doch woher stammte der Lehm? Die Suche in der Bibliothek nach Hinweisen über die Herkunft war nicht schwer, aber gefährlich. Cale wusste, dass es dort Karten und Dokumente gab, die er schon oft für den Kriegsmeister hatte besorgen müssen. Er brauchte daher nur auf die Gelegenheit zu warten, das passende Dokument mitgehen zu lassen und es bei einer weiteren

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