Die Löwen
CIA-Agenten fassen und vor Gericht stellen könnten. Und uns wiederum könnte das, im Hinblick auf die globale Politik, eine Menge Schaden zufügen.«
»Und wie stehen die Chancen, dass die Russen unseren Mann fassen?«
»Wenn die Russen nicht einmal Masud erwischen - wie sollten sie dann einen Geheimagenten fassen, der sich mit Masud treffen will?«
»Fein.« Winderman drückte seine Zigarette aus. »Ich möchte, dass Sie dieser Agent sind.«
Ellis war völlig überrascht. Er hätte es kommen sehen müssen, natürlich, er war jedoch zu sehr in die theoretische Seite des Problems vertieft gewesen. »Ich mache so was nicht mehr«, sagte er, doch seine Stimme klang undeutlich, und er musste unwillkürlich denken: Ich würde Jane wiedersehen, Janel
»Ich habe mit Ihrem Chef telefoniert«, sagte Winderman. »Er war der Meinung, ein Auftrag in Afghanistan könnte Sie wieder in den Außendienst locken.«
Das also war der Kniff, den sie sich ausgedacht hatten. Das Weiße Haus wollte etwas Dramatisches in Afghanistan erreichen, also wurde die CIA gebeten, ihnen einen Agenten auszuleihen. Die CIA ihrerseits wollte Ellis wieder im › Außendienst ‹ haben, also hatten sie dem Weißen Haus vorgeschlagen, ihm diesen Auftrag anzubieten, wohl wissend oder doch vermutend, dass die Aussicht, Jane wiederzusehen, für ihn fast unwiderstehlich sein würde.
Ellis hasste es, manipuliert zu werden. Aber er wollte ins Fünf-Löwen-Tal .
Eine lange Pause war eingetreten. Winderman fragte ungeduldig: »Werden Sie’s tun?«
»Ich werd’s mir durch den Kopf gehen lassen«, sagte Ellis.
Ellis’ Vater rülpste leise, entschuldigte sich und sagte: »Das hat gut geschmeckt.«
Ellis schob seinen Teller mit Kirschkuchen und Schlagsahne zurück. Zum ersten Mal in seinem Leben musste er auf sein Gewicht aufpassen. »Wirklich gut, Mom, aber mehr schaff ich nicht«, sagte er entschuldigend.
»Keiner hat mehr so viel Appetit wie früher«, sagte sie und stand auf, um abzuräumen.
»Das kommt vom vielen Autofahren.«
Sein Vater schob seinen Stuhl zurück. »Ich muss mich noch ein bisschen um den Zahlenkram kümmern«, sagte er.
»Du hast noch immer keinen Buchhalter?« fragte Ellis.
»Keiner geht mit deinem Geld so sorgfältig um wie du selbst«, sagte sein Vater. »Das wirst du erkennen, falls du jemals welches machst.« Er ging hinaus, um sich in sein Zimmer zurückzuziehen.
Ellis half seiner Mutter beim Abräumen. Als er dreizehn gewesen war, zog seine Familie nach Teaneck, New Jersey, in dieses Haus mit den vier Schlafzimmern; doch für ihn war die Erinnerung so deutlich, als sei es erst gestern geschehen. Jahre waren vergangen, bis das Haus stand. Zunächst war sein Vater ganz allein an die Arbeit gegangen. Als seine Baufirma dann größer wurde, setzte er auch seine Leute ein, jedoch nur, wenn Auftragsflaute herrschte. Als die Familie einzog, war das Haus immer noch nicht richtig fertig: die Heizung funktionierte nicht, in der Küche gab es keine Schränke, nichts war gestrichen. Heißes Wasser hatten sie am nächsten Tag nur, weil Mom mit Scheidung gedroht hatte. Schließlich war’s dann aber doch fertig, und die Kinder hatten alle ein Zimmer, bis sie flügge waren. Jetzt war das Haus größer, als für Mom und Dad nötig; Ellis hoffte, sie würden es behalten. Es hatte seine ganz eigene, gute Atmosphäre.
Als sie die Geschirrspülmaschine vollgepackt hatten, fragte Ellis: »Mom, erinnerst du dich an den Koffer, den ich hierließ, nachdem ich aus Asien zurückgekehrt war?« »Sicher. Er ist im Schrank im kleinen Schlafzimmer.« »Danke. Ich möchte ihn mal durchsehen.«
»Dann geh nur. Ich mach’ das hier schon.« Ellis stieg die Treppe hinauf und ging in das kleine Schlafzimmer unter dem Dach. Es wurde selten benutzt, und außer dem Einzelbett standen noch ein paar zerbrochene Stühle, ein altes Sofa und vier oder fünf Pappkartons mit Kinderbüchern und Spielzeug herum. Ellis machte den Schrank auf und nahm einen kleinen schwarzen Plastikkoffer heraus. Er legte ihn aufs Bett, drehte an den Kombinationsschlössern und hob den Deckel. Ein muffiger Geruch stieg auf: Seit einem Jahrzehnt war der Koffer nicht mehr geöffnet worden. Doch alles war noch vorhanden: die Medaillen; die beiden Kugeln, die man aus ihm herausoperiert hatte; das Army-Field-Handbuch FM 5-31 mit dem Titel Sprengfallen; ein Bild von Ellis, neben einem Hubschrauber, seinem ersten Huey, grienend, jung und (o du Scheiße) dünn; ein Brief von
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