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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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kommen, denn sie wissen wohl, wie großzügig er sie belohnt hätte…«
    Pierre de Blois blickte fragend auf, als die Königin schwieg. Sie sagte vergnügt: »Das dürfte dem Heiligen Vater ein gehöriges schlechtes Gewissen einjagen, meint Ihr nicht? Natürlich müßt Ihr dafür sorgen, daß dieser Brief öffentlich bekannt wird, damit er etwas unter Druck gerät.«
    Der Kanzleischreiber feuchtete sich unruhig die Lippen an. »Ich werde es tun, Euer Gnaden, aber glaubt Ihr, daß der Heilige Vater dann tatsächlich Kaiser Heinrich exkommuniziert, weil er einen Kreuzfahrer festhält?«
    »Nein«, erwiderte sie, »sicher nicht, aber er ist dann reif für meinen nächsten Brief, in dem ich ihn auffordere, seine Bischöfe hier zu etwas mehr Spendenfreudigkeit anzuhalten. Eine Interdiktsandrohung wäre genau das Richtige, oder?«
    Insgeheim bemitleidete der Kanzleisekretär den Heiligen Vater, wenn dieser sich in einen ernsthaften Kampf mit Königin Alienor einließ. Das Alter hatte ihre Schönheit nicht fortwischen können, hatte ihr Gesicht nur stärker ausgeprägt, wie eine Elfenbeinschnitzerei, von der alles Überflüssige entfernt ist; doch was jeden Menschen sofort in ihren Bann schlug, war der Eindruck ungeheurer Willens-stärke, den sie vermittelte, und das, ohne sich im geringsten bewußt darum zu bemühen. In ihrem roten Kleid mit den enganliegenden Ärmeln wirkte sie ein wenig wie eine stetig lohende Flamme, die sich selbst verzehrte. Er bezweifelte, daß sie je zur Ruhe kommen würde.
    »Stimmt es, daß Rouen der Belagerung durch König Philippe immer noch standhält?« fragte er neugierig.
    »So ist es. Graf Leicester hält die Stadt, und Philippe konnte bis jetzt wenig mehr tun, als zwei Burgen der Umgebung zu erobern, Pacys und Ivry.« Alienor ging zur Feuerstelle, kniete nieder und legte ein paar neue Scheite auf. Ein Feuer im Sommer war Luxus, doch dieser Sommer war außergewöhnlich verregnet. Pierre de Blois bemerkte zu spät, was sie tat, sprang auf, um ihr zu helfen, doch sie winkte ab.

    In der letzten Zeit genoß sie es, sich mit den Händen zu betätigen.
    Es lenkte sie ein wenig ab von den Gedanken, die ihr ständig im Kopf herumgingen. Würde es Philippe gelingen, Rouen zu erobern?
    Was war mit John? Und vor allem - was, wenn der Kaiser seine Forderung bis ins Unermeßliche weiter erhöhte?
    Sie streckte ihre Finger der neuen Wärme entgegen, und Pierre de Blois erkundigte sich zögernd: »Habt Ihr schon einmal daran gedacht, daß der Kaiser sich entschließen könnte, den König für immer als Geisel zu behalten, Euer Gnaden? «
    »Unsinn«, entgegnete sie scharf. »Was hätte er wohl davon, außer Philippe und John glücklich zu machen? Er braucht schließlich dringend Geld für seinen Feldzug gegen Sizilien, und da sich ein großer Teil seiner rheinischen Barone im Aufstand befindet, muß er auch dafür Mittel aufwenden.«
    Ein Diener meldete William Longchamp. Der so unrühmlich gestürzte Kanzler war nach England zurückgekehrt, nachdem es ihm gelungen war, während seines Aufenthalts in deutschen Landen den Kaiser zu überreden, Richard nicht mehr auf dem Trifels, sondern in der kaiserlichen Residenz von Hagenau gefangenzuhalten. Durch sein langes Exil hatte er überall im Ausland nützliche Verbindungen geknüpft, und Alienor hatte ihm die Verwaltung der Spione übertragen.
    »Schlechte Neuigkeiten, Euer Gnaden«, sagte er sofort, als er eintrat, und Alienor erhob sich.
    »Wie himmlisch. Ich kann es kaum erwarten, sie zu hören. Was gibt es, William?«
    »Wir haben erfahren, daß König Philippe mit König Knut von Dänemark über eine Heirat mit dessen Tochter verhandelt.«
    Alienor nagte an ihrer Unterlippe. »Dänemark also«, antwortete sie langsam. Es war nicht nötig, daß Longchamp ausführlicher wurde. Knuts berüchtigter Vorfahr, Knut der Eroberer, hatte vor etwa zweihundert Jahren England an sich gerissen, damals, als die Dänen die Küsten unsicher machten. Nun, eine Flotte besaßen sie heute noch.

    »Wir werden die Nordseeküste ebenfalls befestigen müssen«, sagte sie sachlich. Longchamp fluchte.
    »Verdammt sei diese Ratte Philippe! Wir brauchen ohnehin schon jeden Mann gegen John, um den Kanal vollkommen dicht zu machen!«
    Alienor blickte an ihm vorbei. »Es wird alles gutgehen«, sagte sie beschwörend, »Richard wird wieder freikommen, und bis dahin werden wir die Insel halten.« Sie wandte sich Pierre de Blois zu. »So, und jetzt bin ich hungrig. Ihr nicht? Ihr habt

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