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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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dort im Moment nicht gebraucht; also ging er in die Küche und setzte sich auf einen Hocker, weil er sich aus verschiedenen Gründen schwach fühlte. Vier Mägde bereiteten das Abendessen für eine Gesellschaft von mehr als fünfzig Gästen, wobei die meisten zur Gefolgschaft des sächsischen Kurfürsten gehörten.
    Die Mägde kannten Jost. Er kam öfter zu ihnen, denn in der Küche fühlte er sich am wohlsten und nahm auch seine Mahlzeiten dort ein. Die Frauen wussten, dass er zu Luthers engstem Kreis gehörte und behandelten ihn gut. Aber sie waren enttäuscht vom Reformator. Warum hatte er um Aufschub gebeten? Warum hatte er sich nicht aufrecht zu seinen Worten und Schriften bekannt? Auch Jost wusste darauf keine Antwort. Und um ehrlich zu sein: Er teilte ihre Bedenken, dass Luther im entscheidenden Moment der Mut verlassen habe.
    Eine der Mägde sagte: »Es würde mich nicht wundern, wenn er morgen völlig einknickt. Ich war so begeistert von ihm! Als er hier ankam, habe ich alles stehen und liegen lassen und bin zum Stadttor gerannt, nur um seine Ankunft mitzuerleben. Und jetzt lässt er uns fallen. Da sieht er das kaiserliche Zepter und die prachtvollen Roben der Kurfürsten, der ganze deutsche Adel starrt auf seine Lippen – und da werden ihm die Knie weich und er verrät nicht nur seine eigene Sache, sondern auch uns, die wir an ihn geglaubt haben.«
    Jost, der selbst weiche Knie hatte, wenn auch aus anderen Ursachen, bat um eine Suppe. Man setzte ihm eine Holzschale vor, aus der er zunächst einige Wurstbrocken herausfischte. Auf einem Tisch in der Mitte des Raums standen Teller, auf die eine Magd Räucherschinken legte, den sie klein schnitt. Der Schinken roch verlockend, und Jost schielte nach den dunkelroten, feucht glänzenden Scheiben.
    Ob Luther schon etwas gegessen habe, fragte er.
    »Nein, ich war eben auf seinem Zimmer«, sagte die Magd, die ihm die Suppe gegeben hatte; sie zerteilte nun eine Knoblauchknolle. »Er will nichts – außer dass man ihn in Ruhe lässt.«
    »Aber er muss doch etwas essen«, sagte Jost.
    »Du redest, als wärst du seine Mutter.« Jost schaute auf, in der Tür zur Küche stand Hanna. »Dachte ich mir doch, dass ich dich hier finde«, sagte sie.
    »Du kennst mich eben zu gut.« Er deutete auf einen Hocker, und sie setzte sich zu ihm. Ein Krug fiel auf den Küchenboden und zerbarst, Jost fuhr erschrocken zusammen; er presste den Handrücken gegen die Stirn, während zwei Mägde sich gegenseitig beschimpften. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist«, sagte er. »Meine Nerven sind nicht mehr die besten.«
    »Nur wegen Luther?«, fragte Hanna.
    Jost schaute zur Seite, weil er ihrem forschenden Blick entkommen wollte. Auf dem Boden lagen die Scherben des Kruges und die Federn einer Gans, die gerade – nackt und aufgespießt – über dem Feuer röstete.
    »Ich mache mir Sorgen um ihn«, sagte Jost. »Er will niemanden sehen und nicht einmal etwas essen.«
    »Anna war bei dir, nicht wahr?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ich sehe es dir an.«
    Er löffelte seine Suppe und beugte den Kopf nach vorn, weil er nicht den Mut hatte, sie anzuschauen.
    »Liebst du Anna?«, fragte Hanna.
    Er legte den Löffel zur Seite und hob den Kopf, denn so hatte er Hanna noch nie erlebt. Er kannte sie lange genug, um ihr Lächeln zu deuten: Sie verbarg dahinter ihre wirklichen Gefühle.
    »Warum antwortest du mir nicht?«
    »Weil es nichts mit uns zu tun hat, Hanna.«
    »Natürlich nicht.«
    Er fasste sie bei der Hand. »Was ist denn plötzlich mit dir los?«
    »Ach, das sind nur die verdammten Zwiebeln, die die Magd gerade schält«, erwiderte Hanna.
    Jost schaute sich um, die Mägde waren beschäftigt und unterhielten sich, sie hörten ihnen nicht zu. »Ich will dir nicht wehtun«, sagte er.
    »Du tust mir aber weh. Und du hast dich völlig verändert, seit du hinter Anna herrennst – übrigens könnte sie ja fast deine Tochter sein, was das Alter betrifft!«
    »Da übertreibst du aber maßlos …«
    »Was bedeute ich dir, Jost?«, fragte Hanna.
    »Sehr viel.«
    »Bin ich für dich nur eine gute Freundin?«
    »Nein, du bist viel mehr als das.«
    »Willst du Anna heiraten?«
    Er hob die Schultern. »Im Moment weiß ich nicht einmal, wo mir der Kopf steht … Also … Ich weiß überhaupt nichts.«
    »Ich habe mich verändert, Jost«, sagte Hanna. »Ich empfinde heute anders für dich als früher, und ich habe zuletzt immer gehofft, dass wir beide zueinanderfinden würden.«
    »Davon hast du nie

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