Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
der Ermittlungen der Polizeibeamten Antonino
Ninni
Cassarà und Giuseppe
Beppe
Montana schon bald ausgeweitet werden. Es waren außergewöhnliche, moderne Fahnder, vor allem aber waren sie absolut integer. Sie waren weder mit denen verfilzt, die in Palermo das Sagen hatten, noch hatten sie etwas mit jenem anderen Palermo zu tun, das gleichgültig, zynisch und fatalistisch war. Cassarà und Montana erstellten einen Bericht über 162 Mafiosi, den
rapporto dei 162
: über Michele Greco und 161 weitere aus verschiedenen Familien der Stadt und Provinz Palermo, die eng miteinander verbunden und den Bezirkschefs (
capimandamento
) und den Bossen der Kommission gegenüber rechenschaftspflichtig waren.
Ein erstklassiger Informant hatte Ninni Cassarà Zugang zu den Geheimnissen der Cosa Nostra verschafft: ein Mafioso, der vieles, aber nicht alles erzählte, vor allem aber das, was er sagte, nicht zu Protokoll geben wollte. Es handelte sich um Salvatore
Totuccio
Contorno, einen Ehrenmann der Familie aus dem palermitanischen Viertel Santa Maria del Gesù. In seinen Berichten an Falcone bezeichnete Polizeikommissar Cassarà ihn mit dem Codenamen »Prima Luce« (»Lichtschimmer«).
Die Cosa Nostra ist am Ende: Totuccio, du kannst reden.
Tommaso Buscetta zu Salvatore Contorno, Büro der
Kriminalpolizei Latium, September 1984
Tommaso Buscetta hatte sich drei Monate zuvor der Justiz als Kronzeuge zur Verfügung gestellt. Am 16. Juli 1984 begann der damals Sechsundfünfzigjährige vor dem Untersuchungsrichter Giovanni Falcone und dem Leiter der Kriminalpolizei Rom, Gianni De Gennaro, auszupacken. Seine Aussagen in einem Polizeibüro wurden auf Tausenden Seiten protokolliert. In den Vereinigten Staaten, in Brasilien und auch in Italien war Buscetta mehrfach verhaftet worden. Die brasilianische Polizei hatte ihn gefoltert, ihm die Fußnägel ausgerissen und Elektroschocks verabreicht. Sie hatte ihn in ein Flugzeug gesetzt, während des Fluges die Tür geöffnet und damit gedroht, ihn hinauszustoßen. Bis auf seinen Namen hatte Buscetta nie auch nur ein Wort gesagt. Doch in jenem Sommer 1984, nach seiner Festnahme in Brasilien, war ihm klar geworden, dass »seine« Cosa Nostra nicht mehr existierte. Er, der die ganze Welt bereist hatte, begriff, dass für die Stammesgesellschaft, in der er aufgewachsen war, ein wohl unaufhaltsamer Niedergang begonnen hatte.
Buscetta erläuterte Falcone das Prinzip der Territorialität, die Regeln der kriminellen Organisation und den Sprachcode der Ehrenmänner. Er nannte Tausende Namen, Familie um Familie, in jedem Winkel Siziliens. Nach ihm gab es Hunderte weitere
pentiti
, aber Buscetta war der wertvollste Kronzeuge von allen.Er lieferte Falcone und seinen Nachfolgern den Schlüssel zum Verständnis der Informationen, die aus dem innersten Zirkel der Cosa Nostra kamen.
Doch bevor er auspackte, sagte Buscetta zu dem Untersuchungsrichter: »Ich möchte Sie warnen. Nach diesem Verhör werden Sie berühmt sein, aber Ihr Leben ist für immer gezeichnet. Man wird versuchen, Sie physisch und beruflich zu vernichten. Vergessen Sie nie, dass jede offene Rechnung mit der Cosa Nostra irgendwann einmal beglichen wird.«
Chefermittler Rocco Chinnici wurde ermordet, so wie früher oder später alle Ermittler, die wirklich ernst machen, ermordet werden.
Antonino Ninni Cassarà, Leiter der Ermittlungs-
abteilung der Kriminalpolizei Palermo, gegenüber der
Zeitung
L’Unità
im Juli 1985
Am 28. Juli 1985, sechs Monate vor Beginn des Maxi-Prozesses, wurde Polizeikommissar Beppe Montana von Totò Riinas Auftragskillern ermordet. Eine Woche später, am 6. August, töteten sie auch Ninni Cassarà – vor den Augen seiner Frau, die vom Balkon aus mit ansehen musste, wie ein neunköpfiges Killerkommando mit Kalaschnikows auf ihren Mann feuerte.
Palermo befand sich im Krieg. Aus Furcht vor Anschlägen wurden Giovanni Falcone und Paolo Borsellino mit ihren Angehörigen eiligst aus Sizilien abgezogen und auf der Gefängnisinsel Asinara vor der sardischen Küste im Gästehaus der Haftanstalt untergebracht. Dort erarbeiteten sie ihre Anklageschriften für den Maxi-Prozess. Ein paar Monate später präsentierte der Staat den beiden Ermittlungsrichtern die Rechnung für ihren Aufenthalt: zigtausende Lire für die konsumierten Getränke. Dies war das Italien, das Mitte der achtziger Jahre gegen die Mafia kämpfte.
Im Sumpf von Palermo endete der Maxi-Prozess zwar mit Verurteilungen, aber
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