Die Maori-Prinzessin
Verletzten noch bei den Toten.«
»Das ist kein Wunder bei der Wucht, in der das Dach eingestürzt ist. Wir haben einige Vermisste, die im Augenblick des Bebens im Kaufhaus gewesen sind. Es steht zu befürchten, dass wir einige nie finden werden.«
Wie eine Furie fuhr Eva herum. »Reden Sie nicht so einen Blödsinn!«, brüllte sie, sprang auf und trommelte mit den Fäusten auf seine Brust ein.
Er schaffte es, ihre Handgelenke zu packen. »Kommen Sie! Wir brauchen Sie. Wir werden uns gleich auf den Rückweg machen, aber einige schwere Fälle nehmen wir mit. Auch die junge Dame, auf deren Schicksal Sie mich aufmerksam gemacht haben. Sie kann überleben, wenn wir es schaffen, sie unversehrt in unser Hospital transportieren. Helfen Sie uns?«
Eva nickte und folgte ihm.
»Gehen Sie zum Lastwagen und organisieren Sie Decken und machen dort ein Lager für die Schwerverletzten. Und schicken Sie mir zwei Männer mit Tragen!«
Eva spürte, dass sie einfach nur noch funktionierte wie ein Uhrwerk. Ihre Gefühle waren wie abgestorben. Dass Adrian aller Wahrscheinlichkeit nach unter den Trümmern des Kaufhauses begraben war, wusste sie, aber es war noch nicht in ihrem Herzen angekommen.
Sie tat alles, was der Doktor ihr aufgetragen hatte. Sie schickte zwei Sanitäter zu dem Eisenholzbaum. Dann organisierte sie Decken und polsterte damit die Ladefläche des Lastwagens aus.
In diesem Augenblick näherten sich die Sanitäter auch schon mit Jane.
»Danke, ich glaube, Sie haben mir das Leben gerettet«, flüsterte die junge Frau ergriffen. »Und haben Sie Ihren Mann gefunden?«
»Nein, er ist nicht unter den Toten. Ich nehme an, er hat es geschafft, rechtzeitig das Kaufhaus zu verlassen. Und wird irgendwo dort draußen sein!«
Eva wandte den Blick ab, denn in den Augen der jungen Frau stand pure Skepsis geschrieben. Doch Eva hatte nun keine Zeit mehr, sich ihren Ängsten hinzugeben, denn nun trafen von allen Seiten Tragen mit Verletzten ein, und ihr fiel die Aufgabe zu, die Plätze zu verteilen. Bald war alles belegt, und der Arzt und sie konnten sich nur noch vorn neben den Fahrer setzen.
Eva stierte die ganze Fahrt vor sich hin. In ihr war alles wie abgestorben. Erst als der Arzt ihr eine Flasche reichte, erwachte sie aus ihrer Erstarrung.
»Das ist ein pflanzliches Beruhigungsmittel. Da nehmen Sie drei Mal am Tag je zehn Tropfen.«
»Ich bin ganz ruhig!«
Der Arzt runzelte die Stirn. »Das ist der Schock. Aber wenn Sie daraus erwachen, dann können Ihnen diese Tropfen nützlich sein. Wo wohnen Sie?«
»In der Cameron Road.«
»Wir fahren Sie hin, aber erst müssen wir die Verletzten ins Hospital bringen.«
»Das ist nicht nötig. Ich kann zu Fuß gehen …«
»Keine Widerrede«, unterbrach der Arzt sie streng. »Sie hören jetzt mal auf mich, verstanden?«
Eva blieb ihm eine Antwort schuldig und steckte die Tropfen ein. Vor dem Hospital hielt der Lastwagen. Erneut bat der Arzt sie, Helfer mit Tragen zu organisieren.
Inzwischen war das Krankenhaus wieder in Betrieb, und die Verletzten waren aus den Parks in das Hospital gebracht worden. Für die kritischen Fälle lag ein Schiff aus Auckland am Kai, das die Verletzten aufnahm, die nur dort ausreichend medizinisch versorgt werden konnten. Auch Jane, die junge Frau aus Hastings, wurde gleich zu dem Schiff transportiert.
»Wir werden mit dem Lastwagen nicht durchkommen. Die Straßen haben gelitten. Aber ich bringe Sie zu Fuß.«
»Nein, ich kann …«
»Sie sind aber auch stur!«, schimpfte der Arzt. »Wenn Sie einen Spiegel zur Hand hätten, Sie würden einsehen, dass man Sie nicht allein durch die zerstörte Stadt gehen lassen kann. Außerdem wohne ich in der Nähe und muss wohl oder übel einen winzigen Augenblick ruhen, denn seit gestern Morgen habe ich keinen Schlaf mehr bekommen.«
Schweigend eilten sie durch die verwüstete Stadt. Er ließ sich nicht davon abbringen, sie bis vor die Tür zu bringen. Als Eva den abgedeckten Körper von Doktor Thomas sah, fiel ihr etwas ein.
»Ob ich Sie bitten darf, einen Blick auf meine Cousine zu werfen? Sie wurde von Trümmerteilen am Kopf getroffen.«
Der Arzt folgte Eva ins Haus. Berenice war nicht allein in Evas Zimmer. Hariata kümmerte sich um sie, und Harakeke wechselte gerade den Verband.
»Ich habe einen Arzt mitgebracht. Der könnte vielleicht mal einen Blick auf deine Wunde werfen.«
Berenice setzte sich mit einem Ruck in ihrem Bett auf und schubste Harakeke dabei zur Seite. »Das ist wunderbar.
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