Die Maurin
Christenkopf!«
Hassans Gesicht war wie versteinert. Sein Nicken kam ruckartig wie das Fallen einer Axt beim Spalten von Brennholz. Johlend riss Yazid den Arm hoch und stürzte zusammen mit der ihm unterstehenden Reiterschaft hinunter auf das Feld. Wie im Rausch metzelten sie die räudigen Köter nieder. Sie hatten ein Heer im Rücken, das vor Rachsucht kaum noch zu bändigen war.
Auf dem Wehrgang der Stadt hatte Gonzalo das Nahen der Mauren bemerkt. Wie alle hier hatte er mit ihrem Kommen gerechnet, aber als er sah, mit welchem Blutdurst die Mauren die Hunde abschlachteten, zog sich ihm der Magen zusammen. Er blickte zu Don Juan de Góngora und dem Marqués de Cadiz, die neben ihm standen. Der Marqués Don Ponce de León war mit seinen fünfzig Jahren einer der erfahrensten Heerführer Isabels und der Eroberer Alhamas. Sein schmales, von einem akkurat gestutzten Bart noch künstlich verlängertes Gesicht zeigte wachsendes Unbehagen, und die klugen, grauen Mausaugen huschten angespannt über das Feld. »Wir müssen aufpassen, dass das Hinmetzeln der Hunde nicht die Moral unserer Soldaten untergräbt!«
»Für die Moral der Männer wäre es allerdings besser gewesen, die verdammten Heiden hätten sofort uns angegriffen.« Don Juan kratzte sich mit sichtlichem Unbehagen am Hals.
»Ich befürchte, die Moral der Männer ist nicht unser einziges Problem«, warf Gonzalo dazwischen. Er zeigte zum Wald. »Da oben verbirgt sich ein viel größeres Heer, als wir erwartet haben. Wenn unser Verhältnis nur eins zu fünf ist, können wir uns schon glücklich schätzen.«
Der Marqués hob die Hand über die Augen und blickte angestrengt in die Richtung, in die Gonzalo wies. Als er sah, auf wie vielen Schilden und Rüstungen am Waldrand die Sonne reflektierte, erblasste er. »Heilige Madonna, steh uns bei!«
»Wir müssen Boten ausschicken«, rief Don Juan. »An den Herzog von Medina Sidonia und auch an alle anderen Adligen der Umgebung. Bis die mit ihren Truppen eintreffen, müssen wir irgendwie die Stellung halten.«
»Und wie wollt Ihr die Boten mit heiler Haut durch diese Tobsüchtigen bringen?«, fragte Gonzalo.
»Dann müssen wir eben einen ganzen Trupp Boten ausschicken«, knurrte Don Juan. »Hauptsache, einer von ihnen kommt durch!«
Gonzalo hob missfällig die Augenbrauen. Er wandte sich an Ponce de León. »Marqués, soweit ich weiß, schickt Ihr häufig Brieftauben an den Herzog von Medina Sidonia …«
»Natürlich!« Der Marqués schlug sich an die Stirn. »Und ich habe auch noch eine seiner Tauben hier!«
In aller Eile veranlasste er das Nötige. Anschließend rief er Gonzalos Brüder zu sich, denen ebenso wie ihm, Don Juan und Gonzalo je eine der Truppen unterstand, um gemeinsam das weitere Vorgehen zu besprechen. »Das Wichtigste ist, die Männer zu beschäftigen, damit sie keine Zeit zum Nachdenken haben. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, dass sie uns, wenn es zum Angriff kommt, wie die Hasen davonlaufen!«
Gonzalo musste daran denken, dass er sowohl dem Marqués als auch Don Juan in den letzten Tagen mehrmals gesagt hatte, dass man die Mauren mit den liegen gelassenen Toten nur unnötig provozieren würde, aber die hatten ihn verständnislos angesehen. In dem Kampf gegen die Mauren ging es eben nicht nur um einen Sieg für die Königin und den christlichen Glauben – es ging auch um Rache für eine in den Augen der Kastilier schon allzu lang währende Herrschaft der Mauren.
»Zunächst halten wir unsere Truppen für den Sturmleiterangriff der Mauren bereit«, wies der Marqués Gonzalo an. »Und bis dahin sollen sie mehr Steine herbeischaffen. Die Mauren sind weit zahlreicher, als zu erwarten war. Und Eure Truppen«, damit wandte er sich an Gonzalo, dessen jüngeren Bruder Jaime und Don Juan, »sollen sich für Ausfälle bereithalten. Wir müssen den Mauren zeigen, dass wir keine Angst vor ihnen haben!«
»Meine Männer haben noch nie vor einem dreckigen Mauren die Flucht ergriffen«, ließ Jaime ihn wissen und strich sich mit selbstsicherer Geste seine dunklen Locken aus dem Gesicht. Die smaragdgrünen Augen funkelten vor Entschlossenheit.
Der Marqués nickte zufrieden, und sie machten sich an ihre Aufgaben. Ehe Gonzalo von dem Wehrgang hinabstieg, warf er noch einen Blick auf das Blutbad, das die Mauren unter den Hunden angerichtet hatten, und sah, ohne es zu wollen, in welchem Zustand die maurischen Leichen inzwischen waren. Er glaubte, sich übergeben zu müssen, aber es
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