Die Maya-Midgard-Mission
hell. Zu unregelmäßig, fast wie ein Pulsieren, wie... wie eine Verletzung, als ob die Erde blutet. Die Erde, Dom, das muss es sein! Lava! Das ist ein Vulkanausbruch. Ganz bestimmt sogar."
Daria atmete tief ein. Es klang wie ein Seufzer.
"Riechst du den Schwefel in der Luft? Vielleicht sollten wir lieber wieder in der Höhle übernachten?"
Domnall O 'Domhnaill zog die Frau, mit der er gerade geschlafen hatte, an sich heran und küsste sie ein wenig zerstreut auf die Wange. "Du bist die erste Frau, die ich geliebt habe", sagte er. "Ich glaube nicht, dass Liebe Sünde ist, der Vergleich mit einem Vulkan scheint mir treffender... Hast du das gesehen?"
Der unheimliche Lichtstreifen erstrahlte jetzt in tiefem Blutrot. Der illuminierte Nach thimmel wurde immer wieder von Wolken verhüllt. Dann schimmerte das Licht für Sekunden bläulich, bis die Wolkenschleier aufrissen, um die Szenerie erneut in feuriges Zinnober zu tauchen.
" Ich glaube, wir sollten die anderen holen", sagte Daria. "Saba oder Yaphet wissen bestimmt, welche Insel da oben liegt, und ob es dort schon immer Vulkane gab. – Oh, mein Gott, ob der Cornucopia auch ein Vulkan ist?"
Minuten später standen die Aureolen in Gruppen am Strand und di skutierten erregt. Die Kulisse war nach wie vor furchterregend. Mittlerweile verbreiteten niedergehende Rauchschleier einen beißenden Schwefelgestank. Es schneite handtellergroße Ascheflocken. Und eine gespenstisch flackernde Lichtwalze aus kochender Erde rollte – so schien es – näher und näher. Die Angst der Menschen hatte ihre Sinne geschärft. Fast glaubte man, das Zischen und Brodeln der heranfließenden Lavaströme zu hören. Devils Darling, die Insel, die laut Saba im äußersten Norden der Auroren lag, war schon immer als Vulkan bekannt. Doch an einen Ausbruch konnte sich keiner der älteren Aureolen erinnern. Alleine der Name des Eilands, »Teufelsliebchen«, ließ vermuten, dass sich die Erde dort in früheren Zeiten schon aufgetan hatte. Ein Blick auf eine gerettete Landkarte des Aurora-Archipels zeigte, dass die Inseln Fanigua und Ornuga zwei natürliche Puffer zwischen Santa Aurora und Devils Darling bildeten. Außerdem schottete ein nordwestlicher Landzipfel der größten Auroreninsel, Malbay, den Vulkan zusätzlich vom restlichen Archipel ab. Devil's Darling war ungefähr 12 Kilometer Luftlinie von Santa Aurora entfernt. Falls die Aureolen also nicht vom Fallout des ausgebrochenen Vulkans getroffen wurden, waren sie fürs erste sicher. Das Naturschauspiel demonstrierte zum zweiten Mal binnen einer Woche die Ohnmacht der Menschen gegenüber der Willkür von Mutter Natur.
Guillaume Raboux hatte seine Chance sofort erkannt, und war emsig damit beschäftigt, Ängste zu schüren. Er wollte die I nseln mit aller Macht verlassen und suchte Verbündete, die ihm halfen, die angelandete Cuttlefish flott zu machen. Verdenken konnte Daria ihm das nicht. In wenigen Kilometer Entfernung ging ein violettglühender Lavaregen nieder. War es möglich, dass die ersten gierigen Lavazungen bereits um Ornuga herum leckten? Würde das Sandbecken, das noch vor wenigen Tagen das Karibische Meer in seinem Schoß gewiegt hatte, nun zum Höllenpfuhl brodelnder Magma?
" Wir müssen hier weg, weg von diesem Seuchenloch", sagte Guillaume Raboux, der in seiner braunen Cordhose, den eleganten italienischen Schuhen und einem beigen Seidenjackett eher wie ein Politiker zu Wahlzeiten auftrat, denn ein gestrandeter Weinbauer aus dem Languedoc. Höchste Zeit, sich seinem Lieblingsstoff zu widmen. "Sonst verrecken wir alle. Mein Gott, Leute, seht es doch ein! Hört auf, eure blöden Bambushütten zu bauen! Wir sind doch kein Haufen pickelgesichtiger Pimpfe im Pfadfinderlager. Kommt mit mir! Zusammen können wir die Cuttlefish ans Wasser schaffen. Alles, was wir brauchen sind Seile und ein paar gefällte Bäume. Damit ziehen wir das Boot zum Wasser. Glaubt mir, wenn alle mit anpacken, sind wir in zwei, drei Tagen soweit. Und dann, auf und davon! Was hält euch hier auf diesen gottverdammten Einödinseln. Am Arsch der Welt. Soll die schrecklich schlaue Frau Doktor ihre Mayabibel alleine suchen. Was nutzen uns fromme Worte. Religiöses Esoterikgesülze macht nicht satt. Und am Ende bleibt uns von ihrem ganzen philosophischen Schnickschnack nichts als Gehirnwindungskrämpfe und Blähungen. Auf alle Fälle hängen wir immer noch hier rum. Und wenn uns das nicht umbringt, der Vulkan schafft es bestimmt."
" Der Vulkan kann uns
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