Die Mondrose
zu finden war? Mildred mochte Musik so gern, und Daphne hatte oft gedacht, sie würde gern tanzen.
»Ich glaube kaum, dass wir mit derlei Gesprächen unsere Braut erfreuen«, sagte Hector. »Zumal wir ihr noch nicht einmal die Gesellschaft vollständig vorgestellt haben. Beste Daphne, hier haben Sie Mr Frederic Ternan, seines Zeichens Hotelier und einer der verdientesten Bürger unserer Stadt. Er nennt das jüngst ausgebaute Victoriana sein Eigen, und wie nicht anders zu erwarten, gehört er auch zu den Sponsoren, die das Lieblingskind meines Bruders, das Sankt-Joseph-Spital, am Busen nähren. Der junge Mann zur Linken dürfte der Stammhalter sein. Herr des Himmels, Freddy, wo läuft eigentlich die Zeit hin? Als ich Ihren Sprössling das letzte Mal sah, trug er noch Spitzenröckchen.«
»Sehr lange dürften Sie den Röckchen auch noch nicht entwachsen sein«, gab der Angesprochene zurück.
Sein Sohn wandte sich Daphne zu. Er hatte ein ernstes, angenehmes Gesicht und braunes Haar. »Ich bin Andrew Ternan«, sagte er scheu. »Sie sind sehr schön, Miss Daphne.«
»Hast du dir dein bisschen Verstand verkohlt?« Hart, dass es knallte, schlug der Vater dem Jungen auf den Hinterkopf.
»Nicht!«, rief Daphne. »Bitte nicht!«
»Hätte man mich wissen lassen, dass wir zum Kindervergnügen geladen sind, hätte ich meine beiden nicht mit dem Mädchen daheim lassen müssen«, maulte Bernice Weaver. »Schlechter als dieser Bengel betragen sie sich bestimmt nicht.«
»O ja, Sie hätten sie mitbringen sollen«, sagte Daphne. »Ich mag Kinder gern.« Der Satz war ihr einfach entwichen, aber jetzt, da er im Raum stand, erkannte sie, dass er der Wahrheit entsprach. Sie wollte ein Kind haben. Hyperions Kind. Es würde in diesem wundervollen Haus aufwachsen, sich jeden Tag am Feuer wärmen und keine Sorgen kennen.
Frederic Ternan züchtigte seinen Sohn ein zweites Mal. »Es ist so stickig«, klagte Bernice Weaver und nestelte an ihrem Kragen. »Warum schnappen wir nicht alle ein wenig Luft und spazieren hinunter zur Eröffnung des Piers? Ich kann mir vorstellen, dass unsere Braut den Kronprinzen noch nie zu Gesicht bekommen hat und sich die Gelegenheit ungern entgehen ließe.«
Sogleich herrschte Aufbruchstimmung. Diener schleppten Mäntel herbei, obwohl seit dem Morgen drückende Hitze herrschte, und ihre künftige Schwägerin hakte sich bei ihr unter. »So kommt man wenigstens dazu, unter vier Augen ein Wort zu wechseln.«
»Wer sagt Ihnen denn, dass das Miss Adams’ Wunsch entspricht?«, warf die schöne Maria Lewis dazwischen. »Vielleicht möchte sie lieber mit ihrer eigenen Familie gehen? Wo sind die Herrschaften überhaupt? Ist es gestattet, sich vorzustellen? Ich habe mich ja bemüht, bei Londoner Bekannten Erkundigungen einzuziehen, aber eine Familie Adams war keinem ein Begriff.«
Daphne überlief es eisig. Sie hatte gewusst, sie würde Hyperion blamieren. Er hatte sie gefragt, ob sie jemanden einladen wolle, doch sie hatte beharrlich verneint. »Wir lassen all das hinter uns«, hatte Mildred gesagt. In den Tagen bei den Vernons hatte Daphne begriffen, dass nichts anderes möglich war. Ihr Leben in Whitechapel ließ sich mit dem neuen Leben nicht vereinbaren. Vielleicht konnte sie später der Mutter Geld schicken, damit sie Medizin für ihren Husten bekam, aber wiedersehen durfte sie sie nie.
War es ein Verbrechen, so zu denken? Ereilte sie jetzt ihre Strafe, zerschlug ihr die Vergangenheit ihr Glück? »Nun, nun, Kindchen.« Mit ihrer fleischigen Hand tätschelte Bernice ihr den Arm. »Sie dürfen sich Marias Gerede nicht zu Herzen nehmen. Sie behandelt uns alle so. Sie ist ganz einfach bösartig.«
Maria Lewis lachte auf.
»Seine Familie kann man sich schließlich nicht aussuchen.« Bernice klang geradezu mütterlich. »Seien Sie unbesorgt, weder Hector noch ich legen Ihnen zur Last, woran Sie unschuldig sind. Im Gegenteil, ich danke dem Himmel, der Sie mir beschert hat, nachdem sich bereits ein anderes Dämchen vor mir als Hyperions Braut ausgab. Ich habe sie vorhin gesehen, eine große Dunkelblonde mit Haar wie ein Straßenköter. Wenn Sie meinen Rat wollen, Liebe, dann trennen Sie sich von solchen Elementen. Southsea ist nicht London. In einer kleinen Stadt wird viel geredet, und wer einmal seinen Ruf verspielt hat, dem verzeiht man nie.«
»Ich weiß nicht, wen Sie meinen«, rang Daphne sich ab. Sie wollte sich setzen oder hinauslaufen, auf jeden Fall von Bernice Weaver und der ganzen Gesellschaft fort.
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