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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Weihnachten tragen. Anprobiert hatte sie es.
    «Wie seh ich denn aus in so einem Fummel! Ich ziehe es an, Mutti, aber nur, wenn Großmutter eine Jeans anzieht.»
    Olgert wollte wissen, welche Sachen Rena bei sich habe, außer denen, die sie auf dem Leib trug. Ich konnte es ihm nicht sagen. Ich wusste nicht, ob Rena acht oder zehn Jeans, zehn oder zwölf warme Shirts besaß.
    Von draußen hörte ich schwach das Tuckern mehrerer schwerer Motoren. Die Zimmer der Mädchen lagen zum Garten, da klangen Geräusche vom Hof nicht so deutlich herein. Olgert ging noch rasch in das kleine Duschbad, das zu Renas Zimmer gehörte. Mit einem Blick überflog er die üblichen Utensilien auf der Ablage über dem Waschtisch. Zahnbürste, Haarbürste, Haarshampoo, Waschlotion. Es fehlte nichts. Wir gingen wieder hinunter.
     
    Sieben Männer hatte Scherer für die Suche gewonnen. Jürgen war bereits bei ihnen. Er gestikulierte und erklärte etwas, stieg erneut zu Scherer auf den Lanz. Einer nach dem anderen fuhren sie vom Hof.
    Olgert war nicht dazu gekommen, ihnen Anweisungen zu geben. Er schien das auch für überflüssig zu halten. Wenn jemand das Gelände kannte, waren das die ortsansässigen Bauern. Und es sah so aus, als habe Scherer das Kommando übernommen.
    Mutter hatte sich beruhigt und ein kräftiges Frühstück auf den Tisch gebracht. Sie stand mit Anne am Fenster, schaute den davonfahrendenTraktoren nach und knetete das feuchte Taschentuch in den Händen. Vater saß vor seinem Gedeck und schaute mir mit unbewegter Miene entgegen. Plötzlich tat er mir Leid. Ein alter Mann, der es nicht gewagt hatte, bei einem Unwetter sein Auto aus der Scheune zu holen. Ihm daraus einen Vorwurf zu machen wäre ungerecht gewesen.
    Anne drehte sich zu mir um. «Papa hat keinen Bissen gegessen.»
    Ich hatte auch keinen Appetit, aber ich setzte mich, nahm mir Kaffee und eine Scheibe Brot aus dem Korb. Olgert ließ die Augen über den Tisch wandern. Mutter wollte ihm Kaffee eingießen. Er hob seine Tasse an. Doch statt sie Mutter hinzuhalten, warf er einen Blick auf den Manufakturstempel.
    «Ich nehme an», sagte er bedächtig, «dass eine Menge Leute wissen, wo Ihre Tochter die meiste Zeit verbringt.»
    Ich konnte nicht antworten, fragte mich unentwegt, wohin Rena ihren Pass gesteckt haben mochte.
    Vater sagte: «Das weiß jeder, der Rena kennt.»
    «Und normalerweise», fuhr Olgert fort, «kam sie alleine nach Hause. Und dabei nahm sie immer denselben Weg.»
    Vater nickte. Olgert sah aus, als wisse er nicht, ob er weitersprechen sollte. Mutter füllte ihm endlich die Tasse. Olgert schaute ihr dabei zu und stellte in bedächtigem Ton die nächste Frage. «War das eine Ausnahme, dass sie gestern so lange im Stall blieb, oder geschah das öfter?»
    «Sie kam normalerweise zum Abendbrot», sagte Vater. «Aber danach fuhr sie häufig noch einmal los. Drei-, viermal in der Woche. Und dann blieb sie auch bis neun oder zehn.»
    Jetzt nickte Olgert, murmelte: «Interessant.» Was ihm daran interessant erschien, war mir ein Rätsel.
    In der Diele klingelte das Telefon. Anne wollte hinaus, Vater hielt sie zurück. «Ich habe doch gesagt, beim nächsten Mal gehe ich an den Apparat. Wenn es Rena ist – mit mir wird sie sprechen. Und wenn es wieder dieser Verrückte ist, werd ich ihm schon was erzählen.Eine Unverschämtheit, Leute in solch einer Situation mit dummen Scherzen zu belästigen.»
    Olgert wollte augenblicklich wissen, was gemeint war. Anne erklärte rasch. Und das Telefon klingelte und klingelte. Mutters Nasenspitze wurde weiß, ihre Lippen bildeten nur noch einen Strich ohne Farbe. Ich wollte aufstehen. Olgert griff nach meinem Handgelenk. «Moment noch.»
    Erst als Anne zum Ende kam, ließ er mich gehen. Er folgte mir. Ich nahm das Gespräch an, er drückte zuerst sein Ohr von der anderen Seite gegen den Hörer. Dann entdeckte er die Taste für den Lautsprecher und rückte ein wenig von mir ab.
    Es war nur Jasmin, die Bescheid geben wollte, dass sie die Termine für den Freitag abgesagt hatte. Alle, bis auf einen. «Frau Weslowski habe ich nicht erreicht. Sie hat den ersten Termin um neun. Vielleicht war sie schon unterwegs. Aber ich bin ja hier, wenn sie kommt. Sandra ist nach Hause gegangen. Für sie war nichts zu tun. Ach, und die Kettler hat schon zweimal angerufen, wollte den Doktor sprechen. Hat ja gestern nicht geklappt. Ich habe sie auf Montag vertröstet. Sie wurde ziemlich ausfallend. Wie sieht es denn mit Montag aus?»
    Montag!

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