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Die Nacht der Haendler

Die Nacht der Haendler

Titel: Die Nacht der Haendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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dem Großen Antimago gewonnen hat, indem er sich mit ihm vereinigte. Sie waren gut beraten – oder vielleicht hat auch Ihr Geheimdienst Sie auf diese Spur gesetzt –, mit mir in Korrespondenz zu treten. Ich bin nun sicher, dass Sie genau wussten, was Sie taten, als Sie mir Ihren ersten Brief schrieben. Denn auch ich halte für sehr wahrscheinlich, dass ich durch meinen Sieg über den Antimago zu einer seiner vielen Existenzen geworden bin … Nehmen Sie nur die auffälligen Ähnlichkeiten! Kaum etwas ist mir mehr zuwider als das Geld. Und doch hatte ich als Heinrich Günz es seinerzeit genossen, wenn nicht reich, so doch ziemlich begütert zu sein, und hatte mein Leben darauf angelegt, ordentlich zu verdienen. Inzwischen habe ich eine gar nicht heimliche Freude an der weltweiten katastrophalen Baisse und an der Zerstörung des Geldes. Nicht zuletzt deswegen habe ich Sie ja im Verlauf meiner Briefe so lange hingehalten, bis Sie erfahren durften, dass der Antimago, den ich zweifellos bekämpft und zerstört habe, weiter existiert. Ja, dass er geradezu meiner Zerstörungstätigkeit bedurfte, um sich explosionsartig in unsere zweite Welt verbreiten zu können. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich unternehme nichts – wer wäre ich auch –, um in Ihrer Welt Schaden bewirken zu können, ich denke nur beständig an die Zerstörung des Geldes, dieser höchsten Leistung der Menschheit auf dem Gebiet der Illusion. Und wer könnte sicher sein, dass nicht schon dadurch, dass einer dies bloß denkt hier oben in den Bergen Liguriens, etwas bewegt würde in den großen Datenströmen des Geldes, wo jetzt Strudel und Untiefen sich unabweislich mehren? Wenn ich – nehmen Sie dies bitte nur einmal als eine zahlloser Möglichkeiten an – durch mein Denken die Kopien am Leben hielte, die der Antimago seinerzeit im Augenblick seiner höchsten Bedrohtheit blitzartig ausstreute? Ja, wenn sein ganzes, vielfältig wie eine Seuche überall schlummerndes und nun ausbrechendes Programm unbedingt meines kleinen Gehirns bedürfte, um in Gang gehalten und mit täglichen Updates gespeist zu werden? Und dies nur, weil wir alle längst gar nicht mehr in einer gottgewollten Wirklichkeit lebten, sondern in einem menschengemachten Paradies? Und ich infolgedessen als Abbild das Abbild beeinflusse, weil ich ein Zwitterwesen aus Heinrich Günz und Boris Reeper geworden bin? Eine humane Datei, die Ihnen schreibt, dem Finanzminister der USA, der, da er mir schreiben kann, offenbar über nicht mehr Wirklichkeit verfügt als ich selbst? Darf ich Sie, ferner Freund, als Programm Ihrer Regierung begrüßen?
    Sie mögen das für unwahrscheinlich halten: Programmierte Wesen fragen sich nicht, ob sie frei sind. Ich hingegen stelle mir diese Frage. Aber ist denn wahrscheinlicher, dass all diese Ereignisse, die ich erlebt und Ihnen berichtet habe, einer höheren Realität angehören? Dass sie nicht doch nur Ausgeburten eines vielfach vernetzten, gleichwohl geplanten Ablaufes sind, vorgeschrieben auf jener »großen Rolle«, die schon Diderots Fataliste immer wieder befragt hat? Du meine Güte, höre ich Sie stöhnen, du meine Güte, wann endlich nennt mir dieser Schuft den Schlüssel, mit dem ich dem Spuk an den Börsen ein Ende bereiten kann? Wann endlich hat dieser Günz seine alte, in Prag entstandene Eifersucht überwunden? Wann endlich tritt er mir zur Seite, springt über seinen Schatten, um meine Karriere zu sichern? Ich verstehe Ihre Ungeduld. Sie hängen an Ihrer vermeintlichen Freiheit. Ich aber bin mir ziemlich sicher, dass ich die meine verloren habe, denn ich denke, dass ich gedacht werde von einem, der gedacht wird … Verehrter, einst gehasster, gefährdeter Herr Minister! Es gibt – und damit will ich schließen – nur einen Weg, dem Dilemma zu entkommen und Ihnen und mir Klarheit zu verschaffen: Sie müssen mich töten. Ja. Töten Sie mich! Oder – wenn Sie dies lieber hören, weil es Ihrer politischen Terminologie entspricht: Löschen Sie mich, schalten Sie mich aus, eliminieren Sie mich! Kommen Sie her, nach Pantasina, auf meine Terrasse. Sichern Sie mir zu, dass Sie nach der Tat meine Hunde gut unterbringen werden. Geben Sie mir eine Nacht des Abschieds von Charisia. Und dann – virtueller Revolver oder programmiertes Gift, Löschtaste oder Initialisierung – entfernen Sie mich aus der Datenbank WELT . Irgendwo hier wird sich auch, wenn Ihnen dies lieber ist, ein Jagdgewehr finden lassen. Zur Not reicht ein großer Stein aus den

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