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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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handelt es sich also um Mord und nicht um eine momentane Schwäche oder irgendeinen Schaden am Auto.«
    »Genau.«
      »Aber wenn das Auto in perfektem Zustand war, warum ist dann die Tür nicht aufgegangen?«
      Montalbano antwortete nicht, er sah seinen Vice nur fest an. Jetzt kommt er gleich drauf, dachte er, er hat ja auch ein Kriminalistenhirn.

      Mimi Augello begann laut nachzudenken. »Parrinello, der Mechaniker, kann die Autotür nicht manipuliert haben.«
    »Warum nicht?«

      »Als sie bei ihrem Haus auf dem Land ankamen, sind sie doch ausgestiegen, oder? Wenn die Tür nicht richtig funktioniert hätte, hätte Stefania nie und nimmer ihr Leben aufs Spiel gesetzt, sie hätte auf eine bessere Gelegenheit gewartet. Und der Maurer kann es auch nicht gewesen sein.«

      »Du, Mimi, willst damit also sagen, dass zu dem ersten Plan ein zweiter hinzukam. Jemand, der Bescheid wusste, wie Stefania ihren Mann beseitigen wollte, hat dazwischengefunkt und sich die Tür vorgenommen. Streng dich ein bisschen an, Mimi.«

    »Großer Gott!«, rief Mimi plötzlich.
      »Genau, Mimi. Herzblatt Giacomino hat nicht zu Hause auf seinen Vater und seine Stiefmutter und Geliebte gewartet. Den Plan hatten sie gemeinsam, er und Stefania, ausgeheckt. Als die Frau drehbuchgemäß mit ihrem Mann ins Bett geht, kommt Giacomino, der sich in der Nähe verborgen hält, aus seinem Versteck und sorgt dafür, dass sich die Autotür, wenn sie erst einmal zu ist, nicht mehr öffnen lässt. Du hast gesagt, es ginge um Milliarden. Warum die mit einer Frau teilen, die dich jederzeit erpressen kann?

    Als Stefania sich ins Auto setzt, um ihren Mann zu töten, weiß sie nicht, dass sie, als sie die Tür schließt, auch ihr Grab schließt. Und du, Mimi, kümmerst dich jetzt um den Rest.«
      Am Ende des dritten Tages, den er in die Mangel genommen wurde, gestand Giacomino Pagnozzi den Mord.

Alice lässt grüßen

      Das Schlimmste, was Salvo Montalbano in seiner Eigenschaft als Leiter des Kommissariats von Vigàta passieren konnte (und unvermeidlich mehr oder weniger regelmäßig fällig war), war das Unterschreiben von Papieren. Die verhassten Papiere bestanden aus Meldungen, Informationsschriften, Berichten, Mitteilungen, Akten, die zuerst nur verlangt und dann von den »zuständigen Stellen« immer drohender eingefordert wurden. Eine merkwürdige Lähmung befiel Montalbanos rechte Hand, die ihn nicht nur daran hinderte, diese Papiere zu schreiben (darum kümmerte sich Mimi Augello), sondern auch seine Unterschrift darunter zu setzen.
      »Wenigstens ein Kürzel!«, flehte Fazio ihn an. Keine Chance, seine Hand weigerte sich zu funktionieren. So stapelten sich die Unterlagen auf Fazios Schreibtisch, sie wuchsen Tag um Tag höher, und irgendwann waren die Papierdünen so hoch, dass sie sich beim geringsten Luftzug neigten und zu Boden glitten. Wenn sich die Aktendeckel öffneten, sah das eine Weile wunderschön aus, wie Schneegestöber. Dann hob Fazio die Blätter mit Engelsgeduld einzeln wieder auf, sortierte sie, formte sie zu einem Stapel, den er sich auf die Arme lud, stieß mit dem Fuß die Tür zum Büro seines Chefs auf und legte ihm den Packen wortlos auf den Schreibtisch. Dann brüllte Montalbano, er wolle von niemandem gestört werden, und machte sich fluchend an die mühselige Arbeit.

    An diesem Morgen begegnete Mimi Augello auf dem Weg in Montalbanos Büro niemandem, der ihn hätte warnen können (»Dottore, lieber nicht, der Commissario unterschreibt gerade«), und betrat daher das Zimmer in der Hoffnung, Salvo könnte ihn aufbauen, weil er eine Enttäuschung erlebt hatte. Als er hereinkam, hatte er den Eindruck, das Zimmer sei leer, und wollte wieder gehen. Aber die wütende Stimme des Commissario, der hinter den Papieren versteckt war, hielt ihn zurück. »Wer ist da?«
      »Ich bin's, Mimi. Aber ich will nicht stören, ich komme später noch mal.«
      »Mimi, du störst immer. Ob jetzt oder später, ist egal. Nimm dir einen Stuhl, und setz dich.« Mimi setzte sich.

    »Und?«, fragte der Commissario nach zehn Minuten.
      »Hör mal«, sagte Augello, »ich kann nicht mit dir reden, wenn ich dich nicht sehe. Lassen wir's gut sein.« Er machte Anstalten, aufzustehen. Montalbano musste das Rücken des Stuhls gehört haben, und sofort wurde seine Stimme noch wütender.
      »Ich hab gesagt, du sollst dich hinsetzen.« Er wollte sich Mimi nicht entgehen lassen: Er brauchte ihn als Blitzableiter, während er

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