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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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einen halben Tag frei nehmen. Und grüß deine Oma
    von mir. Hilf den Leuten in den Wagen, Sam.«
    »Normalerweise kriegen wir nur vier oder fünf bei der ganzen Runde,
    Herr!«, flüsterte Sam, als sie den Weg fortsetzten. »Was machen wir
    jetzt?«
    »Wir fahren mehrmals hin und her«, sagte Mumm.
    »Aber die Jungs haben uns verar… Ich meine, sie haben über uns
    gelacht!«
    »Es herrscht Ausgehverbot«, sagte Mumm. »Gesetz ist Gesetz.«
    Korporal Colon und Obergefreiter Wiggel warteten mit drei Übeltätern
    an ihrem Posten.
    Einer von ihnen war Fräulein Palm.
    Mumm gab Sam die Zügel, sprang vom Wagen herunter, öffnete die
    hintere Klappe und ließ die Treppe herab.
    »Tut mir Leid, dich hier zu sehen, Fräulein«, sagte er.
    »Offenbar gibt es da einen gewissen Oberfeldwebel, der sich
    aufspielt«, sagte Rosie Palm mit einer Stimme aus purem Eis.
    Hochmütig lehnte sie Mumms Hand ab und kletterte in den Wagen.
    Mumm stellte fest, dass einer der beiden anderen Verhafteten
    ebenfal s eine Frau war. Sie war kleiner als Rosie und bedachte ihn mit
    einem trotzigen Blick. Sie trug einen großen, ausgepolsterten Nähkorb.
    Aus einem Reflex heraus griff Mumm danach, um der jungen Frau in
    den Wagen zu helfen.
    »Tut mir Leid, Fräulein…«, begann er.
    »Nimm deine Hände weg!« Sie riss den Korb zurück und trat die
    Treppe hinauf.
    »Ent schuldige«, sagte Mumm.
    »Das ist Fräulein Battye«, sagte Rosie, die inzwischen auf der Bank im
    Wagen saß. »Sie ist Näherin.«
    »Nun, ich dachte…«
    » Näherin, habe ich gesagt«, betonte Fräulein Palm. »Mit Nadel und Faden. Außerdem ist sie auf Häkelarbeiten spezialisiert.«
    »Äh, ist das eine besondere Art von…«, begann Mumm.
    »Es ist eine besondere Art des Strickens«, kam Fräulein Battyes
    Stimme aus der Dunkelheit des Wagens. »Seltsam, dass du das nicht
    weißt.«
    »Soll das heißen, du bist wirklich eine…« Mumm unterbrach sich, als Rosie die Klappe des Wagens zuzog.
    »Fahr uns«, sagte sie. »Und wenn ich dich wiedersehe, John Keel,
    werde ich ein Wörtchen mit dir reden!«
    Jemand kicherte im Wagen, und dann ertönte ein Aufschrei. Ihm ging
    das Geräusch eines spitzen Absatzes voraus, der einen Fuß traf.
    Mumm unterschrieb den schmuddeligen Zettel, den Fred Colon ihm
    reichte, und gab ihn mit einem starren Gesichtsausdruck zurück, der
    den Korporal besorgte.
    »Wohin jetzt, Oberfeldwebel?«, fragte Mumm, als der Wagen losrollte.
    »Zur Ankertaugasse«, sagte Mumm. Kummervolles Murmeln drang
    aus dem Innern des Wagens.
    »Das ist nicht richtig«, brummte Sam.
    »Wir halten uns an die Regeln«, erwiderte Mumm. »Du musst lernen,
    warum wir Regeln haben, Gefreiter. Und sieh mich nicht so
    durchdringend an. Ich bin Experten auf dem Gebiet der
    durchdringenden Blicke begegnet, und bei dir sieht es so aus, als
    müsstest du dringend zum nächsten Abort.«
    »Na schön, aber es ist al gemein bekannt, dass die Unaussprechlichen
    die Leute foltern«, murrte Sam.
    »Tatsächlich?«, entgegnete Mumm. »Warum unternimmt dann
    niemand etwas dagegen?«
    »Weil sie Leute foltern.«
    Ah, wenigstens habe ich die Grundlagen der sozialen Dynamik
    verstanden, dachte Mumm.
    Es war still neben ihm, als der Wagen durch die Straßen rumpelte,
    doch hinter sich hörte Mumm flüsternde Stimmen. Die von Rosie Palm
    war ein wenig lauter als die anderen: »Ich wette, dass es bei ihm nicht klappt.«
    Wenige Sekunden später ertönte die Stimme eines Mannes. Alkohol
    schwang darin mit, außerdem eine auf die Blase schlagende Furcht.
    »Äh, Oberfeldwebel, wir… äh… glauben, die Gebühr beträgt, äh, fünf
    Dollar?«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte Mumm und hielt den Blick auf die
    feuchte Straße gerichtet.
    Wieder begann hektisches Flüstern, und dann sagte die Stimme:
    »Äh… ich habe einen hübschen Goldring…«
    »Freut mich für dich«, sagte Mumm. »Jeder sol te etwas Hübsches
    haben.«Er klopfte sich auf die Tasche, auf der Suche nach dem
    Zigarrenetui, und für einen Moment spürte er mehr Ärger als
    Verzweiflung und mehr Kummer als Ärger. Es gab eine Zukunft. Es
    musste eine geben. Er erinnerte sich an sie. Aber sie existierte nur als
    Erinnerung, und die war so empfindlich wie das Spiegelbild auf einer
    Seifenblase, und möglicherweise zerplatzte sie ebenso leicht.
    »Äh… vielleicht könnte ich noch etwas drauflegen…«
    »Wenn du noch einmal versuchst, mich zu bestechen, schlage ich dich
    grün und blau«, sagte Mumm, als sie die Ankertaugasse

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