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Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler

Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler

Titel: Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Löffler
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hat es geschafft.
    Immer noch schmeichelt sich Kanada, eine vorbildliche Einwanderungsgesellschaft zu sein, und hält sich auf seine Vorurteilslosigkeit einiges zugute. Offenbar ist es vornehmlich Sache zugewanderter Autoren, ihre tatsächlichen migrantischen Erfahrungen mit Kanada zu thematisieren und in ihren Romanen und Erzählungen dieses geschönte kanadische Selbstbild multiethnischer Musterhaftigkeit infrage zu stellen. Sie rücken vor allem die soziale Kälte und die unbewusste Diskriminierung in den Fokus, die ihren literarischen Stellvertreterfiguren in ihrer jeweiligen
Arrival City
entgegenschlagen. Auf gedankenlose Zurückweisungen und Kommunikationspannen reagieren ihre Romanhelden je nach Temperament mit Sarkasmus, Aufsässigkeit und Empörung wie bei Rawi Hage, mit Ironie und Selbstironiewie bei David Bezmozgis oder mit Schwermut wie bei David Chariandy.
    David Chariandy, als Sohn karibischer Zuwanderer 1969 bereits in Toronto geboren, wählt für seinen Debütroman «Der karibische Dämon» einen sanftmütigen Melancholiker als seinen Helden und Ich-Erzähler. Die Gegenwartsebene des Romans ist das Jahr 1989 – also ein Jahr nach Verabschiedung des kanadischen «Multiculturalism Act». Der junge Held hat es sich beim Zeitungslesen angewöhnt, die echauffierten Leitartikel gegen dieses Gesetz einfach zu überblättern. Die Frage, ob Integration gelingt oder misslingt und was die jeweiligen Gründe dafür sein mögen, ist allerdings nur eines der Themen des Romans, und nicht das wichtigste.
    Die Eltern des Romanhelden stammen – genau wie die des Autors – aus Trinidad, das auch die Herkunftsinsel von Sir Vidia Naipaul ist; die Mutter ist afrikanischer, der Vater indischer Herkunft, beide sind die Nachkommen von Sklaven und Tagelöhnern und als junge Leute in den frühen 1960er Jahren eingewandert, als Kanada Bedarf an billigen Arbeitskräften hatte und Farbige aus der Karibik zur Einwanderung ermunterte. Die Eltern lassen sich im Osten des alten Toronto nieder, im Vorort Scarborough Junction am Ontario-See, einem Einwandererviertel jenseits von Michael Ondaatjes berühmtem Bloor-Street-Viadukt, in dem auch der Autor David Chariandy selbst aufwuchs. Ihr Haus am See ist so wackelig, brüchig und unstabil wie ihre ganze Existenz: Beide stehen auf unfestem Grund. «Selbst der Dümmste musste erkennen, dass der See unaufhaltsam näher kam und jedes Jahr ein Stück Hintergarten wegfraß», urteilt der Sohn im Roman über sein Elternhaus. Auch vibriert das baufällige Gemäuer bei jedem vorbeidonnernden Vorortzug auf bedenkliche Weise. Alles scheint vom Zusammenbruch bedroht. Die Eltern des Romanhelden haben sich wie Chariandys Eltern in Kanada nie richtig eingewöhnt, haben auch die Sprache nur rudimentär erlernt, ganz im Gegensatz zu ihren beiden bereits im Land geborenen Söhnen.
    Die Ankunft der Mutter ging seinerzeit mit allen vorhersehbaren Misshelligkeiten vonstatten: «Ihre Ankunft war mit Komplikationen verbunden. Das Flugzeug flog fast eine Stunde lang Warteschleifen;der Pilot hatte den Passagieren mitgeteilt, dass ein Eissturm herrsche und dass das Bodenpersonal die Start- und Landebahnen frei räume. Ein Eissturm, dachte sie. Was um alles in der Welt mochte das sein?»
    Eine Generation später betrachtet der Sohn die Ankunftsstadt Toronto immer noch mit den kritischen Augen eines Fremden: «Nicht jeder war der Kälte und der Dunkelheit Torontos gewachsen.» Seine Mutter wurde seinerzeit als Schwarze auf der Straße noch angestarrt und «mit kalten, abweisenden Blicken» bedacht, und beim Einkaufen wurde ihr «das Wechselgeld immer auf die Theke gezählt, nie in ihre Hand». Das zumindest hat sich inzwischen gebessert. Man wird nicht mehr angestarrt, jedoch immer noch schäbig behandelt. Immer noch sind dem Romanhelden und seinesgleichen die schlechtesten und gesundheitsschädlichsten Jobs vorbehalten – beispielsweise Schwarzarbeit als Tellerwäscher, Blumen- und Hotdog-Verkäufer oder gar ein Job als Putzer in einer Hühnerschlachterei, wo man ohne Handschuhe und Gesichtsschutz mit kochend heißem, chlorversetztem Wasser hantieren muss, bis man mit verätzten Händen und kaputter Lunge im Krankenhaus landet.
    Und selbst wenn ein kluges Mädchen wie die Einwanderertochter Meera im Roman den Schulabschluss mit Auszeichnung schafft und vorhat, an der

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