Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler
Beobachter Pakistans. Er konzentriert sich auf zwei heimlichunheimliche Machtfaktoren im Lande: auf den pakistanischen Geheimdienst ISI und auf die Armee. Den Geheimdienst schildert Hanif als geübt im Verleugnen der eigenen Wühlarbeit samt Folterpraxis, die pakistanische Armee als ebenso geübt im Vertuschen der eigenen umstürzlerischen Ränkespiele. Beide, Armee wie Geheimdienst, geben sich bei ihren diversen Mordkomplotten mit der Vortäuschung von Legalität gar nicht erst ab.
Hanif organisiert seinen Roman aus zwei parallel geführten Erzählsträngen. Der eine erzählt die Geschichte vom Niedergang und allmählichen Machtverlust des ebenso bigotten wie grausamen undweinerlichen Diktators Zia, eines «Mullah mit dem Instinkt eines bestechlichen Steuerprüfers». Im Roman ist Zias Regime gekennzeichnet von einer schleichenden, aber konsequenten Islamisierung Pakistans, von einem gefährlichen Wackelkurs gegenüber den Taliban, die aus Pakistan ein Aufmarschgebiet der Terroristen machen, sowie von einer Politik der heimlichen Einmischung in den Afghanistan-Krieg der Sowjets. Die USA â dies das erweiterte politische Szenario des Romans â haben in den 1980er Jahren den Jihad der Mujahedin in Afghanistan regelrecht gesponsert, im Kampf gegen die sowjetische Okkupationsarmee im Lande. Und mit Unterstützung der Amerikaner stärkt auch Hanifs General Zia die Kräfte des militanten Islamismus im Nachbarland und bereitet damit den Taliban den Weg. Nach Hanifs Auffassung sind die Taliban nichts anderes als die zweite Generation der Mujahedin.
Hanifs Roman-General probt heimlich die englische Rede, die er in Stockholm zu halten gedenkt für den Fall, dass ihm der Nobelpreis verliehen wird. Doch er verabsäumt, den Ratschlag eines anderen Diktators, CeauÅescu, zu beherzigen: «Das Volk sollte Sie entweder lieben oder fürchten. Das ist der Schlüssel. Ihr Abstieg beginnt an dem Tag, an dem Sie Ihrem Volk gleichgültig werden.» Genau das aber passiert Zia im Roman: Er wird seinem Volk gleichgültig.
Im Ãbrigen ist Hanifs General Zia von Misstrauen geradezu imprägniert. Sein paranoider Argwohn gegen alle und jeden ist grenzenlos. Die Ironie seiner Paranoia liegt darin, dass sein Verfolgungswahn berechtigt ist: Er wird tatsächlich verfolgt. «Wer versucht, mich zu töten?», lautet Zias angstgepeitschte Standardfrage an seine Junta. «Alle», antwortet sein Sicherheitschef und hebt Zias Sicherheitsstatus auf Stufe Rot an â ohne sonderlichen Erfolg, wie der Ausgang des Romans zeigt.
Der zweite Erzählstrang ist auf den Ich-Erzähler des Romans konzentriert, den Kadetten Ali Shigri, Offiziersanwärter und Pilot der
Pakistan Air Force.
Dieser steht salutierend auf der Rollbahn und beobachtet heimlich frohlockend den Absturz von Präsident Zias Flugzeug. Der Kadett selbst ist daran nicht ganz unschuldig, vielmehr scheint er auf sehr dubiose Weise in umstürzlerische Machenschaftenverwickelt. SchlieÃlich leitet er gemeinsam mit einem US-Ausbilder aus Fort Bragg ein höchst verdächtiges Trainingsprogramm, das sich
Silent Drill
nennt. Und überdies ist sein Herzensfreund, ein anderer Luftwaffen-Kadett, verschwunden â mitsamt einem Flugzeug. Kein Wunder, dass auf Ali Shigri der Verdacht des Geheimdienstes fällt, dass er im Folgenden mit dessen Folterverhörmethoden intime Bekanntschaft macht und unentwegt zu Verbrechen befragt wird, auch wenn er sie nicht begangen hat. Er denkt: «Die Schuldigen begehen das Verbrechen, die Unschuldigen werden verurteilt. Das ist die Welt, in der wir leben.»
Schon sein Vater, Colonel Shigri, war ein höchst zweideutiger militärischer Held, den man eines Tages mit seinem eigenen Bettlaken am Deckenventilator erhängt auffand. Mit verdächtiger Eile lieà der Geheimdienst ISI damals den Sohn unterschreiben, dass er auf eine Autopsie verzichte, keine dunklen Machenschaften argwöhne und keinen Abschiedsbrief gefunden habe. In Wahrheit hatte der Colonel im Auftrag General Zias die strategischen Guerilla-Operationen im Nachbarland Afghanistan geleitet und war eingeweiht in umstürzlerische Vorgänge. Er wusste, wie der Geheimdienst ISI die amerikanischen Hilfsgelder an die Mujahedin verteilte.
Als ehemaliger Luftwaffenpilot weià Mohammed Hanif genau, was die pakistanische Armee im Innersten zusammenhält: nämlich Verrat und Putschgelüste. Dieser
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