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Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Titel: Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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die Wände so dicht zusammen, dass sie sich nur mit Mühe durch die Enge zwängen konnte. Wie mochten die Priester aussehen, die hier den Göttern des Waldes dienten? Waren sie so klein wie Kinder? Oder gab es noch einen anderen Weg?
    Mit einem stummen Gebet blickte die Prinzessin zum Himmel. Wenn nur der Mond endlich wieder scheinen würde. Sie konnte fast nichts mehr sehen. Mit ausgestreckten Händen tastete sie sich voran. Sie drückte sich an einem langen Felsblock vorbei, dessen Oberfläche von tiefen Kerben zerfurcht war.
    Plötzlich stieß sie gegen einen Stein. Etwas klirrte leise. Sie kauerte sich nieder. Ihre Finger strichen über scharfkantige Tonscherben. Sie fand den runden Henkel einer Amphore. Oder war es ein großer Krug gewesen? Rings herum ließ sich keine Wand mehr ertasteten. Es war so dunkel, dass es keinen Unterschied machte, ob sie die Augen öffnete oder schloss.
    In der Hocke drehte sich Gishild im Kreis. Hinter sich fand sie den Felsen mit der zernarbten Oberfläche. Doch was lag vor ihr?
    Zoll um Zoll tastete sie sich vorwärts. Überall lagen die Tonscherben.
    Endlich berührten ihre Fingerspitzen raues Holz.
    Draußen vor dem Tempel tönte die Kelle im Kupferkessel wie eine Totenglocke. Die Wolkendecke zerriss. Für einen Augenblick durchdrang silbernes Licht die Dunkelheit. Kaum einen Schritt von Gishild entfernt saß eine schmächtige, ausgezehrte Gestalt. Ein kahl geschorener Mann. Er lehnte mit dem Rücken am Opferstein und hatte die Augen verdreht, so dass nur noch das Weiße zu sehen war. Wie ein zweiter
Mund klaffte ein breiter, blutiger Schnitt über seiner Kehle. In den Scherben, die rings um den Toten verstreut lagen, hatten sich Blutpfützen gesammelt. Das weiße Leinenhemd klebte feucht schimmernd an der Brust des Priesters.
    Kaum einen Herzschlag lang sah die Prinzessin den Leichnam, dann löschten die ziehenden Wolken das Himmelslicht, und der Waldtempel hüllte sich erneut in gnädige Finsternis.
    Gishild biss sich auf die Lippe und unterdrückte ein Keuchen. Im Verlauf des Krieges hatte sie schon häufig Tote gesehen. Aber dabei war sie nie allein gewesen. Sie wollte schreien, wollte fortlaufen … Aber sie ahnte, dass sie dann so enden würde wie der Priester.
    Der Hüter des Waldtempels war noch nicht lange tot. Er musste nach dem letzten Regenguss gestorben sein, sonst wäre das Blut von den Scherben gewaschen worden. Eine Stunde, vielleicht ein wenig mehr war seit dem Regen vergangen, schätzte Gishild.
    Womöglich war der Priester aber auch erst einige Augenblicke, bevor sie kam, ermordet worden, dachte sie. Sie hätte nur die Hand ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Wenn er noch warm war … Gishild erschauderte bei dem Gedanken. Nein, sie mochte sich nicht dazu überwinden, ihn anzufassen!
    Behutsam mit dem Fuß tastend, suchte sie einen Weg durch die Scherben. Vorsichtig schob sie Splitter mit den Zehenspitzen zur Seite, bevor sie auftrat. Die Rechte ließ sie über die raue Holzwand gleiten, um die Orientierung nicht zu verlieren. Sie würde den Mörder entdecken! Bestimmt war er noch hier. Sie konnte lautlos wie eine Katze auf der Pirsch sein. Eine der berühmtesten Jägerinnen Albenmarks war ihre Lehrerin! Sie war gut, redete sich Gishild ein. Sie
würde nicht entdeckt werden. Doch trotz aller Mühe, die sie sich gab, vermochte sie jene leise Stimme tief in ihr nicht zum Verstummen zu bringen, die ihr zuflüsterte: Du bist nur ein Mädchen von elf Jahren. Du bist verrückt, einem Mörder nachzuschleichen! Angst packte sie. Einen Augenblick war sie versucht umzukehren. Aber dann verwarf sie den Gedanken. Sie war sich sicher, wer immer den Priester ermordet hatte, war auch eine Gefahr für ihren Vater! Was hier geschehen war, stand in Verbindung mit den Verhandlungen im Dorf. Sie musste wissen, wer der Mörder war!
    Aus den Brettern unter ihrer tastenden Hand wurde übergangslos zerklüftete Borke. Gishild umrundete einen Baum und fand sich eingepfercht zwischen Wänden aus Weidengeflecht. Die Wände federten unter ihrer Berührung. Obwohl er eng war, konnte sie sich hier ohne Mühe durch den Gang bewegen. Es war, als wolle der Heilige Ort auch sie ertasten. Als seien die Holzruten die Finger all jener längst Verstorbenen, auf deren Flüstern im Wind der tote Priester gelauscht hatte.
    Vorsichtig schob sich die Prinzessin weiter. An einigen Stellen pickten die spitzen Enden der Ruten durch den dichten Stoff ihres Hemdes. Der Wind hatte an Kraft gewonnen und

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