Die Orks
Traum.«
»Ich habe den Eindruck, dass du in letzter Zeit eine Menge Träume hast. Ein Albtraum?«
»Nein. Weit davon entfernt. Es war nur ein Traum.«
Jennesta träumte von Blut und Verbrennen, von Tod und Zerstörung, von Leiden und Verzweiflung. Sie träumte von den Prinzipien der Lust und von den Erkenntnissen, die sich daraus gewinnen ließen. Wie es ihre Gewohnheit war. Sie erwachte in ihrem Allerheiligsten. Der verstümmelte Leib eines Menschen, der kaum das Stadium der Mannbarkeit erreicht hatte, lag auf dem roten Altar inmitten des Abfalls des Rituals der vergangenen Nacht. Sie ignorierte den Leichnam, erhob sich und hüllte ihre Nacktheit in einen Pelzumhang. Hohe Lederstiefel vervollständigten ihre Garderobe.
Der Morgen graute, und sie hatte etwas zu erledigen. Als sie ihre Gemächer verließ, nahmen die Orks draußen vor der Tür zackig Haltung an.
»Kommt mit«, befahl sie brüsk.
Sie blieben hinter ihr, und sie führte sie durch ein Labyrinth von Fluren und Steintreppen empor, bis sie schließlich auf dem Exerzierplatz vor dem Palast ins Freie traten. Mehrere hundert Mitglieder ihrer Ork-Armee hatten sich dort in wohlgeordneten Reihen versammelt. Die Zuschauer, denn darauf lief es hinaus, setzten sich aus Vertretern jedes Regiments zusammen. Das war eine wirkungsvolle Methode, um zu gewährleisten, dass die Nachrichten über das, was sie in Kürze miterleben würden, rasch die Runde durch Jennestas gesamte Horde machten. Die Soldaten standen vor einem Holzpfahl von der Größe eines kleinen Baums. Ein Orksoldat war daran festgebunden. Holzscheite und Reisigbündel stapelten sich fast bis zu seiner Hüfte. General Mersadion begrüßte Jennesta mit einer Verbeugung.
»Wir sind bereit, Majestät.«
»Verlesen Sie das Urteil.« Mersadion nickte einem Ork-Hauptmann zu. Der trat vor und hob ein Pergament. Mit tragender, laut schallender Stimme, der Eigenschaft, die ihm diese unbeliebte Aufgabe eingebracht hatte, begann er mit dem Vorlesen.
»Auf Befehl Ihrer Imperialen Majestät, Königin Jennesta, sollen alle den Spruch des Militärtribunals im Fall Krekners erfahren, eines gewöhnlichen Feldwebels in der Horde Ihrer Majestät.« Alle Augen waren auf den Mann am Pfahl gerichtet.
»Die gegen Krekner vorgebrachten Anklagepunkte waren, erstens, dass er wissentlich den Befehl eines Vorgesetzten missachtet und er, zweitens, sich durch diese Missachtung der Feigheit vor dem Feind schuldig gemacht habe. Das Tribunal hat ihn in beiden Anklagepunkten für schuldig befunden und zu der in diesen Fällen üblichen Strafe verurteilt.« Der Hauptmann ließ das Pergament sinken. Auf dem Platz war es totenstill. Mersadion wandte sich an den Angebundenen.
»Sie haben das Recht zu einem letzten Appell an die Königin. Wollen Sie davon Gebrauch machen?«
»Ich will«, erwiderte Krekner. Seine Stimme war laut und ruhig. Er ertrug die Tortur mit Würde.
»Beginnen Sie«, sagte Mersadion. Der Feldwebel wandte den Kopf und sah Jennesta an.
»Ich wollte nicht respektlos sein, was meine Befehle betraf, Majestät. Aber uns wurde ein neuerlicher Angriff befohlen, während noch verwundete Kameraden unversorgt herumlagen, denen wir hätten helfen können. Ich habe mich gerade lange genug zurückgehalten, um die Blutung bei einem Kameraden zu stillen, und glaube, dass ich ihm damit das Leben gerettet habe. Dann habe ich den Befehl zum Vorrücken befolgt. Es war eine Verzögerung, kein Ungehorsam, und ich mache Mitgefühl als Grund geltend. Ich finde das Urteil in diesem Punkt ungerecht.« Wahrscheinlich war es die längste und mit Sicherheit die wichtigste Rede, die er je gehalten hatte. Er sah die Königin erwartungsvoll an. Sie ließ ihn und alle anderen eine volle Minute warten, bevor sie etwas erwiderte. Ihr gefiel die Vorstellung, dass sie vielleicht dachten, sie erwäge eine Begnadigung.
»Befehle werden erteilt, um sie zu befolgen«, verkündete sie.
»Es gibt keine Ausnahmen und ganz gewiss keine im Namen des… Mitgefühls.« Sie sprach das Wort so aus, als sei es ihr widerlich.
»Appell abgelehnt. Das Urteil wird vollstreckt. Auf dass dein Tod allen als Mahnung dienen möge.« Sie hob eine Hand und murmelte einen Zauberspruch. Der verurteilte Ork wappnete sich. Ein Strahl aus konzentriertem Licht schoss aus ihren Fingerspitzen, zuckte durch die Luft und hüllte die Reisigbündel an seinen Füßen ein, die augenblicklich Feuer fingen. Orangegelbe Flammen loderten auf und fraßen sich sofort höher. Der orkische
Weitere Kostenlose Bücher